Wenn der Hunger erwacht (German Edition)
… vergessen.
Als hätte er ihre Gedanken gelesen, drückte er seine Stirn gegen ihre und flüsterte: „Keine Angst, Kendra. Wenn ich heute Nacht mit dir fertig bin, wird für Buchanan nichts mehr übrig sein.“
Sie hob den Kopf, um ihn anzusehen, und mit einem Mal blieb ihr die Luft weg. Irgendwas an seinem Gesicht schien … das konnte sie nicht sagen. Anders zu sein. Sie blinzelte mit schweren Lidern, wollte ihn wieder klar und deutlich sehen, aber ihre Augen spielten nicht mit. Er hob eine Hand, umfasste ihre Wange, sein Daumen strich zärtlich … so unfassbar zärtlich über ihren Mundwinkel. Sie spürte nichts mehr außer seiner Berührung. Es war eine ehrerbietige Berührung. Wie die eines Anbeters – und plötzlich wurde ihr klar, dass Ian sie in all der Zeit noch nie so berührt hatte. Als wäre sie für ihn etwas ganz Besonderes. Ihre Unterlippe zitterte. Sie seufzte, sie zerfloss, ganz verloren in der glühenden Hitze des Blickes dieses Fremden.
Und dann lächelte er.
Der Schwung seiner Lippen war so unglaublich schön, dass ihre Tequila-umnebelten Gedanken eine Weile brauchten, bis sie realisierte, was er da gerade gesagt hatte.
Buchanan! Was zum …? Woher konnte dieser Fremde – dieser Neuling hier oben in den Bergen – überhaupt etwas von ihr und Ian wissen?
„Woher …“
„Sch …“, wisperte er und drückte seine Hand auf ihren Mund. „Für Fragen haben wir jetzt keine Zeit.“
Er gab ein raues Lachen von sich, und Kendra beobachtete voller Entsetzen, wie sein Gesicht sich unter der Haut neu zusammenzusetzen schien. Ein Plopp war zu hören, dann ein Klacken, dann das erschreckende Geräusch eines wieder einschnappenden Gelenks.
Voller Panik wollte sie wegrennen, aber sie stolperte. Sofort war er auf ihr, das Gewicht seiner Muskeln drückte sie in den feuchten Boden.
„Das ist ein Mädchen für mich“, murmelte er vor sich hin, schleuderte sie auf den Rücken und hielt ihre Hände über ihrem Kopf mit einer Leichtigkeit fest, die sie ebenso einschüchterte wie entsetzte. Aus weit aufgerissenen, brennenden Augen sah sie seinem entstellten Gesicht an, was er vorhatte, und ein erstickter Ton entrang sich ihrer Kehle. Ein trockener Schrei, irgendwo zwischen einem Schluchzen und einem Wimmern. „Keine Zeit für Spielchen“, flüsterte er. „Nur noch Zeit zu sterben.“
Und er meinte es todernst.
Alles was danach geschah, nahm sie nur noch bruchstückhaft wahr – das Bewusstsein zerschmettert von Entsetzen und Unglauben und unbeschreiblichem Schmerz. Sie wollte schreien, aber dazu war ihr Verstand zu benommen. Sie wollte sich wehren, aber ihr Körper lag einfach nur da auf dem mit Blut getränkten Boden, zerbrochen und schwach.
Sie wollte dieses Schwein in Stücke reißen, genauso wie er sie in Stücke riss – und wusste doch, wie hoffnungslos der Gedanke war.
Er hatte sie aufgeschlitzt; tiefe Schnitte in ihrem Bauch … ihrer Brust? Sie hatte keine Ahnung; es tat überall weh. Sogar tief in ihr drin, als er brutal in sie eindrang. Alles verblasste – das Leuchten der Sterne am Himmel, das Zirpen der Grashüpfer, der volle Pinienduft der Bäume – bis es zu einem Nichts verstümmelte. Nichts – außer den unendlichen Wellen von Schmerz, durch die alles schwarz und hässlich wurde.
Sie dachte an Ian, und ihr wurde klar, wie dumm sie gewesen war.
Aber ihr letzter Gedanke, als er seine Zähne tief in ihren Hals grub, galt ihrer Mutter: Hatte sie also doch recht gehabt.
Dann dachte Kendra Wilcox nichts mehr.
3. KAPITEL
Samstag, drei Uhr morgens
Ian träumte von zu Hause. Als er jung war. Träumte vom tiefen Süden im Spätherbst. Es war derselbe merkwürdige Traum, den er immer hatte, seit er mit sechzehn von zu Hause fortgelaufen war. Er hockte mit seiner kleinen Familie vor einem knisternden Ofen. Das Abendessen köchelte vor sich hin und füllte das verwitterte Haus mit dem Duft von Bohnen und Maisbrot, während der junge Riley auf dem abgenutzten Teppich lümmelte und die kleine Saige auf dem Schoß ihrer Mutter saß und um eine weitere Geschichte über ihre Vorfahren bettelte.
„Vor vielen, vielen Jahren“, hob seine Mutter murmelnd an, „bevor dieses Land überhaupt entdeckt worden war, wandelten unsere Vorfahren auf dieser Erde, aber sie waren nicht wie wir …“
„Sie waren Merrick, nicht wahr?“, unterbrach Saige und hopste vor Aufregung beinahe auf und ab.
„Ja, Süße“, antwortete seine Mutter lächelnd, „das waren sie ganz bestimmt.“
„Und
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