Wenn der Hunger erwacht (German Edition)
Brille abnahm und sie aus zusammengekniffenen Augen anstarrte, war sein Gesichtsausdruck sogar noch härter. „Und ich habe es schon damals überhaupt nicht lustig gefunden, als meine bescheuerte Mutter ihre Psychofritzen-Freunde an mir, meinem kleinen Bruder und meiner Schwester vorbeiparadieren ließ und uns dauernd in einen emotionalen Schwitzkasten nehmen wollte. Das ist jetzt die letzte Warnung: Steigen Sie wieder in diesen armseligen winzigen Mietwagen da und hauen Sie ab, zum Teufel.“
Molly verschränkte die Arme vor der Brust, als wolle sie sich damit vor seinem Zornesausbruch schützen, aber sie wich keinen Zentimeter zurück. „Glauben Sie mir, Mr. Buchanan. Ian. Mir macht das kein bisschen mehr Spaß als Ihnen, aber ich habe gegenüber Ihrer Mutter ein Versprechen abgegeben, und das werde ich halten. Ich weiß, sie hat Fehler gemacht, aber jetzt versucht sie, bestimmte Sachen wiedergutzumachen. Und wenn Sie nicht auf sie hören wollen – nicht auf mich hören wollen –, nicht auf uns hören wollen … dann wird es ganz sicher jemandem schlecht ergehen. Das spüre ich einfach.“
Warum in Gottes Namen muss ich immer auf Frauen fliegen, die einen an der Klatsche haben? verfluchte er sich leise selbst und fuhr sich so heftig durchs Haar, dass die Kopfhaut schmerzte. Muss mir in den verdammten Genen liegen.
Das war einer der Gründe, warum er Kendra nicht endgültig in die Wüste schickte – die schlichte Tatsache, dass sie so ganz anders war als die Frauen, mit denen er sich normalerweise einließ. Diese toughe Buchhalterin ließ sich irgendwelchen Blödsinn genauso wenig bieten wie Ian selbst, beide kriegten voneinander, was sie wollten, obwohl ihre gelegentlichen Treffen so ein nagendes Gefühl in seinem Bauch hinterließen. So eine innere Kälte. So ein … Begehren nach etwas anderem.
Sicher, das war nicht besonders toll – aber er hatte gelernt, damit zu leben.
„Wie ich sagte, meine Mutter ist vor fünf Monaten gestorben. Und jetzt verschwinden Sie von meinem Grundstück. Das hier ist Privatbesitz, den Sie unbefugt betreten.“
Er konnte sehen, wie ihre Lippen hart wurden. Dann straffte sie ihre grazilen schmalen Schultern, voller Entschlossenheit in jedem Winkel ihres weichen, weiblichen Körpers. „Nein.“
Ian legte den Hammer hin und erhob sich zu seiner vollen Größe, in der Erwartung, sie würde sich endlich umdrehen und schnellstmöglich verschwinden. Er war über eins neunzig groß und breit gebaut und besaß genug Muskeln, dass die meisten Leute sich lieber nicht mit ihm einlassen wollten. Mit seinem finstersten Gesichtsausdruck hielt er ihrem Blick stand, Feindseligkeit und Wildheit in den Augen. Als er endlich sprach, hatten seine Worte einen tiefen, rauen Klang, von dem er sich sofortige Resultate versprach.
„Nein? Wie soll ich das verstehen?“
Wie sollte er das verstehen? Sie hatte selber nicht die geringste Ahnung.
Du bist wahnsinnig, Molly. Eindeutig verrückt.
Wie soll man auch erklären, dass es nicht nur Geister gibt, sondern auch das reine, markerschütternde Böse?
Wie soll man die Existenz der Hölle auf Erden erklären … oder die Tatsache, dass im Verborgenen tatsächlich Monster lauern?
Dass einen ständig irgendetwas von hinten beobachtet?
Dass wir, die Menschen, nicht länger allein sind?
Wie soll man jemandem verständlich machen, dass seinem ganzen Leben, seiner Welt ein Umbruch bevorsteht und dass danach alles nie wieder so sein wird wie zuvor?
Molly wusste es nicht – sie hatte keine Antworten auf diese Fragen. Sie war nur der Überbringer schlechter Nachrichten, nicht ihr Ursprung, und ihr fiel das alte Sprichwort ein: Der Überbringer schlechter Nachrichten wird als Erster geköpft.
Genau das traute sie diesem Ian Buchanan zu. Sie fühlte sich wie betäubt, und sie wusste auch, wieso. Es war beschämend, aber die schiere physische Präsenz dieses Mannes ließ sie kaum noch klar denken. Er war … sie suchte nach einem passenden Wort für diese anziehende, harte und kantige männliche Kraft und Arroganz, fand aber keins. Elaina hatte sie davor gewarnt, dass er äußerst misstrauisch sein würde, aber sie hatte nicht erwähnt, wie verbittert er war. Oder wie gut aussehend. Trotz seiner groben Ungehobeltheit war der Kerl ein wandelndes und sprechendes Musterexemplar der verborgenen Fantasie jeder Frau vom „Bad Boy“.
Schön, dunkel und verlockend war er genau das, was Molly sich immer unter einem richtigen Mann vorgestellt hatte; aber sie
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