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Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause

Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause

Titel: Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malte Pieper
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herauszuholen, damit alles fertig ist, wenn sie einträfen. Nicht, dass das Schloss ein Hindernis gewesen wäre – das hätten wir ohne Probleme geknackt. Ich hätte aber gerne mal das Gesicht unseres Lehrers gesehen, wenn er den Gang entlanggekommen wäre und die von uns aufgebrochene Tür entdeckt hätte.
    Unsere Einwände, die wir gegen das frühzeitige Betreten des Klassenraumes hervorbrachten, wurden jedes Mal abgeschmettert. Meist mit stichhaltigen Argumenten wie: «Wir verlieren mit eurem Gekrame jedes Mal fünf Minuten», oder dem interessanten Ansatz: «Fragt halt irgendeinen Lehrer, der vorbeigeht, ob er euch aufschließen kann.» Gesagt, getan. Allerdings ernteten wir lediglich gereizte Reaktionen: «Ich kann doch nicht jedem aufschließen, an dem ich vorbeikomme. Das geht nicht. Außerdem seid ihr in der Klasse dann unbeaufsichtigt.» Also wieder vor der Türe warten. Lehrer wissen eben nicht, was sie wollen.
    Schüler wissen das meist sehr genau: Sie wollen frei haben. Weil sie aber wissen, dass sie das nicht bekommen, gönnen sie sich zu Beginn des Unterrichts gerne ein paar Minuten Auszeit. Die Lehrer übrigens auch, selbst wenn sie das niemals zugeben würden. «Wir verlieren jedes Mal fünf Minuten, wenn Sie zu spät kommen», hätte ich gerne mal zu einigen von ihnen gesagt, aber das wäre für die Zeugnisnote mit Sicherheit eher ungünstig gewesen. Lehrer können da recht empfindlich sein.
    Irgendwann trudelte dann der richtige Lehrer ein und stellte die alles entscheidende Frage: «Wo haben wir?» Wir antworteten stets: «Hier!», auch wenn wir vor einem völlig falschen, schon besetzten Raum standen. Die Verwirrung und die damit verbundene Verzögerung des Unterrichtsbeginns nahmen wir gerne an.
    Wenn wir mit unerfahrenen Referendaren Vertretungsunterricht zum Beispiel in Raum 115 hatten, haben wir gerne gesagt, wir hätten in Raum 118 . Denn diesen Raum gab es gar nicht, bei 117 war der Gang zu Ende.
    So konnten wir allerdings nur vorgehen, wenn der Lehrer überhaupt kam. Es gab nämlich durchaus Teile des Lehrkörpers, die regelmäßig vergaßen, dass sie zur Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit das Lehrerzimmer verlassen mussten. In solchen Fällen ließen wir uns etwas Zeit und begaben uns erst gegen Ende der Stunde dorthin, um nach dem Lehrer zu fragen.
    Vorausgesetzt, die zu erwartende Lehrperson war erschienen und hatte die Klassentüre geöffnet, konnte es losgehen. Einzelne Schülerinnen und Schüler nahmen unmotiviert auf ihren Stühlen Platz. Doch statt der Schulsachen wurden erst noch Trinkflaschen und Butterbrote herausgeholt, denn zum Essen hatte man in der Pause ja nun wirklich keine Zeit. Man musste schließlich erst noch über die neue Freundin vom arroganten Sven lästern, mit einem Typen aus der Parallelklasse eine noch ausstehende Streitigkeit klären und sämtliche Leute anrufen, die man während der vorigen fünfundvierzig Minuten Unterricht nicht gesehen hatte. Da blieb nun wirklich nicht mehr viel Zeit übrig, um sich mit so niederen Tätigkeiten wie z.B. Ernährung zu beschäftigen. Wozu hatte man denn die Unterrichtszeit? Wenn der ein oder andere dann anstatt eines Pausenbrotes einen mitgebrachten, mit vielen Zwiebeln und Knoblauch verfeinerten Döner auspackte und der Klassenraum sich geruchstechnisch in wenigen Sekunden in eine türkische Imbissbude verwandelte, war die Toleranzschwelle manchen Lehrers überraschenderweise überschritten. Das Essen wurde allgemein verboten, die betreffenden Schüler wurden ermahnt und der Döner weggepackt. Nur der Geruch blieb, und der Lehrer war wütend, wahrscheinlich, weil auch er lieber Döner gegessen hätte, als unterrichten zu müssen. Aber man ist ja nicht umsonst Lehrer geworden. Anscheinend gilt der Grundsatz, dass man mit gutem Beispiel vorangehen sollte, in der Schule nicht. Während wir uns mit knurrendem Magen und trockenen Kehlen an den Arbeitsaufträgen abmühten, packte der ein oder andere Lehrer schon mal gerne mitgebrachtes Obst oder Pausenbrote aus. Nicht selten ging er anschließend kurz ins Lehrerzimmer und kam mit einem frisch gebrühten Kaffee zurück. Bevor jemand dem erbosten Lehrer Intoleranz gegenüber der türkischen Esskultur unterstellt, muss klargestellt werden: Die gleiche Reaktion wurde durch das Mitbringen von griechischem Gyros, chinesischen Nudelgerichten und belgischen Pommes hervorgerufen. Alles schon ausprobiert. Der Höhepunkt war erreicht, als ein paar Schülerinnen auf die Idee gekommen

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