Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause

Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause

Titel: Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malte Pieper
Vom Netzwerk:
beurteilen. Auch wenn der Schüler gerade beim Turnen am Stufenbarren seitlich aus den Barren auf die Halterung kracht und dabei ein daneben stehendes Mädchen mit den Schuhen im Gesicht trifft – immer schön positiv bleiben. «Du hast dich ja bemüht.» Sportlehrer können sehr verständnisvoll sein, wenn sie wissen, dass aus einem Schüler sowieso nichts mehr rauszuholen ist.
    Vielleicht war mein letzter Sportlehrer aber auch nur so nett, weil er immer schon geguckt hat, wer nach mir an der Reihe war. Handelte es sich dabei um ein attraktives Mädchen mit weitem Ausschnitt und enganliegender Sporthose, so freute er sich schon viel zu sehr auf die nächste zu leistende «Hilfestellung», als dass er Lust hatte, seine Energie bei mir zu verschwenden. Das würde auch erklären, warum er mich immer anmotzte, wenn der dicke Bertie nach mir dran war.
    Dabei war und bin ich gar nicht so unsportlich. Laufen konnte ich hervorragend. Das hatte ich früh gelernt, nämlich als Kleinkind. Aber wann läuft man im Sportunterricht schon mal zwei Schulstunden lang nur im Kreis?
    Für sämtliche Ballsportarten, bei denen dieses läuferische Können von Vorteil gewesen wäre, braucht man dummerweise auch immer noch diese gottverdammte Technik. Warum muss man beim Basketball in diesen doofen Korb werfen? Ist es nicht eine viel größere Leistung, wenn man aus drei Meter Entfernung noch nicht mal das Brett
hinter
dem Korb trifft?
    Fußball ohne Ball. Das wäre meine Sportart.
    Ich habe nie verstanden, wie man eine Rolle rückwärts machen kann, ohne auf halbem Wege den Schwung zu verlieren und seitlich umzukippen. Ein zufällig erlittener Kapselriss im linken Fußgelenk ließ mich die Reihe «Boden- und Geräteturnen» glücklicherweise oft verpassen. Gut, wenn die Eltern einen Orthopäden zu ihren Bekannten zählen – zumindest war man dann nicht gezwungen, sich so bescheuerte Ausreden einfallen lassen zu müssen wie alle anderen. Die Top- 3 -Ausreden, um im Sportunterricht nicht teilzunehmen: 1 . «Mir ist nicht gut, ich glaub ich muss mich schonen.» 2 . «Ich hab da was am Rücken. Wenn ich heute Sport mache, kann das meiner Wirbelsäule langfristig schaden.» 3 . «Ich hab meine Sportsachen vergessen.»
    Alle drei Ausflüchte wurden meist nicht akzeptiert, sondern durch Ersatzsportzeug und das Argument, Bewegung würde dem Rücken und der Gesundheit guttun, entkräftet. Da hatte ich es mit meinem ärztlichen Attest schon leichter.
    Aber immer kann man sich natürlich nicht drücken, schon gar nicht, wenn eine Sportreihe ein ganzes Halbjahr andauert. Und das ist beim Schwimmen der Fall. Schulschwimmen ist so ziemlich die schlimmste Bloßstellung, die man in der Schule erfahren kann. Nicht nur, dass man vom Lehrer durch laut gebrüllte Kommentare vor der ganzen Schwimmhalle blamiert wird. Darüber hinaus geben Menschen wie ich, die einfach nie richtig schwimmen gelernt haben, ob sie wollen oder nicht, ein jämmerliches Bild ab.
    Im Nachhinein muss ich zugeben: Mein Sportlehrer hatte recht, wenn er sagte: «Malte, du schwimmst wie ein angeschossener Dackel.» Wenigstens bin ich nicht ertrunken. Es war das erste Mal, dass ich bedauerte, kein Mädchen zu sein: Die hatten nämlich komischerweise immer ihre Tage, wenn Schwimmen auf dem Programm stand. Also jede Woche einmal. Gut für unsere Mädels, dass unser Schwimmlehrer nicht gleichzeitig auch Biologie unterrichtete.
    Wieso schützt der WWF eigentlich nur Pandabären und nicht arme, vom Schwimmunterricht gegeißelte Schulkinder? Und warum haben noch nie Menschenrechtsaktivisten ein Schwimmbad besetzt und die dort angewendeten Methoden der Schwimmlehrer angeprangert? Wenn die USA ihre Guantanamo-Häftlinge mit vorgetäuschtem Ertrinken beim Waterboarding quälen, wird zu Recht das Wort Folter in den Mund genommen. Wenn ich aber vom «board» – also dem Einmeterbrett – ins «water» springen musste, untertauchte und auf dem Weg zurück an die Wasseroberfläche gefühlt dreimal umgekommen bin, dann hieß es, das läge an meinen eingeschränkten Schwimmfertigkeiten. Anscheinend gelten die Menschenrechte im Schwimmunterricht nicht oder sind durch den Lehrer vorübergehend außer Kraft gesetzt.
    Zu Beginn des Schwimmunterrichts sollten wir uns immer warm schwimmen. Was ich dabei nie verstanden habe: Warum mussten wir dafür in das kalte Wasser? Die Sparmaßnahmen der Stadt hatten die Wassertemperaturen auf gefühlte 8  °C sinken lassen, und ich bekam spontan Mitleid mit

Weitere Kostenlose Bücher