Wenn die Dunkelheit kommt
Lichter aus, schaute aber nicht zurück in die Dunkelheit und kehrte in ihr Zimmer zurück, ging wieder ins Bett und zog sich die Decke bis zum Kinn.
Davey schlief immer noch fest.
Der Nachtwind drückte gegen das Fenster.
Weit weg, auf der anderen Seite der Stadt, sang eine Sanitäts- oder Polizeisirene ihr trauriges Lied.
Penny blieb eine Weile im Bett sitzen, gegen die Kissen gelehnt; die Leselampe warf einen schützenden Lichtkreis um sie. Sie war müde und wollte schlafen, aber sie fürchtete sich davor, das Licht auszuschalten. Sie ärgerte sich über ihre Angst. War sie nicht fast zwölf Jahre alt? Und war sie mit zwölf nicht zu groß, um sich vor der Dunkelheit zu fürchten? War sie jetzt nicht die Hausherrin, war sie nicht schon seit mehr als anderthalb Jahren die Hausherrin, seit ihre Mutter gestorben war? Nach etwa zehn Minuten hatte sie sich wieder soweit unter Kontrolle, daß sie die Lampe ausschaltete und sich hinlegte.
Ihre Gedanken konnte sie nicht so einfach ausschalten.
Was war es gewesen?
Nichts. Ein Überbleibsel aus einem Traum. Oder ein Luftzug. Nur das, weiter nichts.
Dunkelheit.
Sie horchte.
Nichts.
Sie schlief ein.
2
Mittwoch, 1.34 Uhr
Vince Vastagliano war auf halbem Wege die Treppe hinunter, als er erst einen Schrei und dann ein heiseres Kreischen hörte. Es war nicht schrill. Es war nicht durchdringend. Es war ein erschrockener, gutturaler Schrei, den er vielleicht gar nicht gehört hätte, wenn er oben gewesen wäre; trotzdem drückte er nacktes Entsetzen aus. Vince blieb stehen, eine Hand am Treppengeländer, ganz still, den Kopf zur Seite geneigt, und horchte angespannt; sein Herz hämmerte plötzlich, und er war vorübergehend in Unschlüssigkeit erstarrt.
Noch ein Schrei.
ROSS Morrant, Vinces Leibwächter, war in der Küche und richtete für sie beide einen späten Imbiß her, und es war Morrant, der geschrien hatte. Die Stimme war unverkennbar.
Vince hörte auch Geräusche eines Kampfes. Ein Krachen und Klirren, als etwas umgeworfen wurde. Einen harten Schlag. Das scharfe, dissonante Klirren zerbrechenden Glases.
ROSS Morrants verzweifelte, von Angst verzerrte Stimme hallte im unteren Korridor von der Küche her wider, zwischen Stöhnen, Keuchen und entnervenden Schmerzenslauten waren Worte zu hören: »Nein... nein... bitte... Jesus, nein... Hilfe.... zu Hilfe... O mein Gott, mein Gott, bitte... nein!«
Vince trat der Schweiß auf die Stirn.
Morrant war ein großer, starker, gemeiner Scheißkerl. Seit vierzehn Monaten arbeitete er für Vince als Einpeitscher, Geldeintreiber und Leibwächter; in dieser Zeit hatte Vince nie erlebt, daß er Angst hatte. Er konnte sich nicht vorstellen, daß Morrant sich vor irgend jemand oder irgend etwas fürchtete. Und daß Morrant um Gnade bettelte... nein, das war einfach undenkbar; selbst jetzt, als Vince den Leibwächter wimmern und flehen hörte, konnte er es nicht fassen; es schien einfach nicht wirklich zu sein.
Etwas kreischte schrill. Das war nicht Morrant. Es war ein gräßlicher, unmenschlicher Laut. Ein schneidender, durchdringender Ausbruch von Wut, Haß und einem fremden Wollen, der in einen Science-fiction-Film gehörte, der entsetzliche Schrei eines Wesens aus einer anderen Welt.
Vince stieg schnell zwei weitere Stufen hinunter und schaute den Korridor entlang zur Eingangstür. Der Weg war frei. Er konnte wahrscheinlich die letzten Stufen hinunterspringen, durch den Gang rennen, die Eingangstür aufschließen und das Haus verlassen, ehe die Eindringlinge aus der Küche kamen und ihn sahen. Aber ein kleiner Rest von Zweifel blieb, und wegen dieser Unschlüssigkeit zögerte er ein paar Sekunden zu lange.
In der Küche kreischte Morrant noch entsetzlicher, ein letzter Aufschrei trostloser Verzweiflung und Todesqual, der abrupt abriß.
Vince wußte, was Morrants plötzliches Schweigen zu bedeuten hatte. Der Leibwächter war tot.
Dann gingen überall im Haus die Lichter aus. Offenbar hatte jemand im Sicherungskasten unten im Keller die Hauptsicherung ausgeschaltet.
Vince wagte nicht, noch länger zu zögern, und wollte im Dunkeln die Treppe hinunter, aber er hörte, wie sich im unbeleuchteten Korridor hinten bei der Küche etwas bewegte und in seine Richtung kam, und blieb wieder stehen. Es war nichts so Normales wie sich nähernde Schritte, was er da hörte, es war vielmehr ein fremdartiges, unheimliches Zischen-Rascheln-Klirren-Brummen, das ihn frösteln ließ und ihm eine Gänsehaut über den Rücken jagte. Er
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