Wenn die Würfel fallen
ein
Restaurant, das weit über meine Verhältnisse ging. Als wir unsere Cocktails zur
Hälfte ausgetrunken hatten, blickte Annabelle mich streng an. »Sie sagten, es
wäre dienstlich?«
»Ist es auch«, versicherte ich
ihr.
»Na, dann mal los!« drängte sie
ungeduldig.
»Mich würde interessieren«,
begann ich, »ob Sie an jenem Tag im Büro waren, als Howard Fletcher den Sheriff
besuchte.«
»Natürlich«, sagte Annabelle. »Wo
sollte ich denn sonst gewesen sein?«
»Ich bin viel zu taktvoll, um
danach zu forschen«, antwortete ich. »Aber sagte der Sheriff etwas zu Ihnen,
nachdem Fletcher wieder gegangen war?«
Sie überlegte einen Augenblick
lang, dann schüttelte sie den Kopf. »Nicht, daß ich wüßte. Erwähnte er etwas
Wichtiges, woran ich mich hätte erinnern sollen?«
»Es war ja nur eine Frage«,
sagte ich enttäuscht.
»Er war sehr verärgert, nach
dem Mr. Fletcher gegangen war«, fügte Annabelle hinzu. »Aber auf der anderen
Seite ist der Sheriff so oft verärgert, besonders wenn Sie in der Nähe sind,
was ja auch verständlich ist, so daß ich...«
»Wollen wir jetzt etwas
bestellen?« unterbrach ich rasch.
Es war gegen zwei, als wir
unsere Mahlzeit beendeten. Ich setzte Annabelle vor dem Büro ab und fuhr dann
in die Stadt zur Redaktion der Tribune.
Es dauerte zehn Minuten, um bis
zum Chefredakteur vorzudringen. Nach der Aufschrift auf seiner Bürotür hieß er
Clinton H. Denny. Er war klein, kahl und sah so eisenhart aus, als ob man mit
ihm Felsen auseinandersprengen könnte.
»Setzen Sie sich, Leutnant«,
sagte er, und die Worte klangen, als hackte er sie einzeln ab. »Was kann ich
für Sie tun?«
»Sie könnten mir einiges über
einen Ihrer Reporter erzählen«, sagte ich, während ich mich setzte.
» Journalisten !« bellte
er. »Diese Zeitung stellt schon seit Menschengedenken keine Reporter mehr ein!«
»Der Journalist, den ich meine,
heißt Rex Schäfer«, sagte ich.
»Was ist mit Schäfer?«
»Er war mit Linda Scott
befreundet«, sagte ich. »Er erzählte mir, er hätte am anderen Ende der Stadt
eine Reportage zu machen gehabt und wäre gegen Mitternacht in die Redaktion
zurückgekehrt.«
»Das kann ich für Sie
feststellen lassen«, sagte Denny brüsk und griff zum Telefon. Er unterhielt sich
etwa eine Minute lang mit dem Chef vom Dienst und legte dann den Hörer auf. »Er
wurde beauftragt, eine Story über die Familie eines Mannes zu schreiben, der
vorgestern bei einem Unfall mit seinem eigenen Lastwagen ums Leben kam. Eine
menschlich rührende Geschichte. Schäfer ist Spezialist auf diesem Gebiet. Er
verließ die Redaktion gegen sechs Uhr und kehrte so um Mitternacht mit der
Story zurück. Ist zwar eine ziemlich lange Zeit für so eine Sache, aber
vielleicht war er besonders gewissenhaft.«
Denny verschränkte die Hände
über seinem Wanst, lehnte sich in seinen Sessel zurück und blickte mich an.
»Noch etwas?«
»Sie könnten mir etwas über
Schäfer persönlich erzählen«, sagte ich.
Er zuckte die Schultern. »Er
ist jetzt über ein Jahr bei uns. Er kam aus Chicago.«
»Warum kam er gerade hierher?«
»Er war ein guter Journalist.
Er bewarb sich um eine freie Stelle bei uns, und er schien uns der
vielversprechendste Mann.«
»Ich wollte nicht wissen,
weshalb sie ihn einstellten, Mr. Denny«, sagte ich geduldig, »ich wollte
wissen, warum er aus Chicago wegging.«
»Warum fragen Sie ihn das nicht
selbst?«
»Ich hätte es gern erst von
Ihnen gehört.«
»Es drehte sich um einen
Lagerhausbrand. Schäfer und ein Fotograf berichteten darüber. Sie stiegen in
den obersten Stock des gegenüberliegenden Gebäudes hinauf. Es war ihnen zwar
nicht erlaubt, aber von dort hatten sie einen besseren Ausblick — ganz
besonders wegen der Fotos. Der Nachtwächter war im obersten Stockwerk des
brennenden Hauses eingeschlossen, aber niemand wußte das.
Schäfer und der Fotograf sahen
den Mann. Da der Fotograf Bilder machen wollte, ging Schäfer, um Hilfe zu
holen. Unterwegs hielt er beim erstbesten Telefon und gab seinen Bericht an die
Zeitung durch.
Als man den Nachtwächter
schließlich erreichte, war er tot. Schäfers Anruf konnte nicht länger als eine
Minute gedauert haben. Und diese eine Minute war bestimmt nicht entscheidend
über Tod oder Leben des Nachtwächters. Aber der Fotograf konnte seinen Mund
nicht halten, und die Konkurrenz machte eine große Sache daraus. Das war
Schäfers Popularität nicht gerade zuträglich. Er wurde von seiner eigenen
Zeitung entlassen;
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