Wenn Du Luegst
hat ihr noch mehr Angst gemacht als Leroy. Seine Stimme war ganz hoch und zittrig, und er war so blass, dass er fast weiß ausgesehen hat. Etwas, das Roosevelt solchen Schiss einjagte, musste echt übel sein, deshalb hat sie gedacht, dass sie
besser abhauen sollte, bevor etwas wirklich Schlimmes passieren würde.
Sie hat sich umgedreht und wollte ins Zimmer zurück - sie wollte versuchen, aus dem Fenster zu klettern -, als sie einen Schuss gehört hat. Sie drehte sich wieder um, und da lag Roosevelt voller Blut auf dem Boden, und dann hat sie gesehen, wie Leroy zu ihm hingegangen ist und ihm noch eine Kugel verpasst hat, mitten ins Gesicht. Sie hat gesehen, wie Sissy zu ihrem Papa gerannt ist. Sie hatte nicht gewusst, dass Sissy da ist, weil sie sie von der Treppe aus nicht hatte sehen können. Als Sissy ganz nah bei ihrem Papa war, hat sie angefangen zu schreien und wollte weglaufen. Crystal hat nicht länger gewartet. Sie ist rüber zum Fenster gerannt und hat es aufbekommen. Sie hat gehört, wie Sissy die Treppe raufgelaufen kam und wie Leroy ihr hinterhergebrüllt hat: ›Komm zurück, du kleines Miststück‹, während er ihr nachgerannt ist.
Sie hatte das Fenster offen, und das Moskitonetz war zum Glück weggerissen, sonst wäre meine Kleine gleich da gestorben. Sie ist aus dem Fester geklettert und runtergesprungen. Bei der Landung hat sie sich was am Knöchel getan. Er war total geschwollen, aber sie hat gemeint, sie hätte es gar nicht gespürt. Sie ist losgerannt und war schon ein ganzes Stück weg, bevor sie gemerkt hat, dass ihre Handtasche immer noch da oben war.
Sie hat gewusst, dass sie Jagd auf sie machen werden. Sie wusste es einfach. Ihre Tasche war in dem Zimmer, und das Bett war total unordentlich, und das Fenster stand mitten im Winter weit offen. Sie hatte wenig Verstand, was Männer und Drogen betraf, aber sie war kein
Dummkopf. Sie hat gewusst, dass sie sie suchen würden und was sie mit ihr machen würden, wenn sie sie finden. Jeder Mensch hätte das gewusst. Man konnte nichts gegen die Collins-Brüder in der Hand haben und weiterleben.
Ich hab gewusst, dass sie recht hat. Wir würden nie mehr nach Hause zurückkönnen. Gott sei Dank hatte ich an dem Tag meinen Gehaltsscheck bekommen, drum hatte ich genug Geld für Benzin und Essen. Ich verfrachtete meinen Wagen auf die Autobahn und fuhr einfach drauflos. Ich bin nicht erst heim, um irgendwas zu holen. Ich hatte eine Cousine hier oben in Seattle, und da hab ich mir gedacht, das ist genauso weit weg von Dallas, wie ich meine Kleine gern haben möchte.«
»Und seitdem sind Sie schon hier?«, fragte Robert.
»Ja, aber es hat nichts genutzt. Auch wenn sie Angst vor den Collins-Brüdern gehabt hat, wollte sie trotzdem rein gar nichts ändern. Hat die Finger nicht von den Drogen lassen können. Und sie war nicht schlau genug, den Mund zu halten. Als wir ne Weile hier waren, höre ich plötzlich, wie sie irgendeiner Freundin in Dallas sagt, dass sie in Seattle ist. Ich hab ihr gesagt, dass das dumm war, aber sie hat gesagt, dass ihre Freundin es niemand verraten würde. Dann, eines Tages, sehe ich Daryl Collins auf der Straße. Hab sofort gewusst, dass er nach ihr Ausschau hält und dass wir wieder umziehen müssen.
Aber sie wollte nicht weg. Wir waren fast ein Jahr hier, und sie hatte einen neuen Freund, und sie hat sich ausgerechnet, dass Daryl und Leroy wissen sollten, dass sie, weil sie ja bis jetzt nichts gesagt hatte, es auch nie tun würde. Ich hab ihr gesagt, so läuft das nicht, aber sie
wollte nicht auf mich hören. Ich glaube nicht, dass sie zu der Zeit im Kopf noch richtig getickt hat. Sie ist ständig auf irgendwas gewesen.
Es war nicht lang danach, als der Anruf von der Polizei kam. Sie lag tot in irgend so einem Drogenloch. Grundgütiger, ich weiß nicht, wie ein Mensch so ne Nachricht kriegen kann und ihm nicht sofort das Herz stehen bleibt. Ich hab das Beste versucht, mit dem, was von meiner Kraft noch übrig war, aber es wäre viel besser gewesen, wenn mein altes Herz einfach aufgegeben hätte, als sie’s mir gesagt haben.«
Mandy fragte sanft: »Was ist mit ihr passiert? Hat Daryl sie getötet?«
»Ich weiß es nicht sicher. Vielleicht hat Daryl sie gefunden. Ich schätze, ich werd’s nie sicher wissen. Aber sie hat mit sich selbst so nen Schindluder getrieben, da war’s nur ne Frage der Zeit. Früher oder später wär’s eh so gekommen. Wenn sie mit den Drogen weitergemacht hätte, wär’s so oder so nur ne Frage
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