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Wenn du mich siehst - Hudson, T: Wenn du mich siehst - Hereafter

Wenn du mich siehst - Hudson, T: Wenn du mich siehst - Hereafter

Titel: Wenn du mich siehst - Hudson, T: Wenn du mich siehst - Hereafter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tara Hudson
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außerdem zugesehen, wie eine Abschleppfirma das triefende Auto des Jungen aus dem Wasser gezogen hatte, ohne sich auch nur im Geringsten meiner Anwesenheit bewusst zu sein. Während dieser Betriebsamkeit stellte ich mein Verlangen, hier zu bleiben, kaum in Frage – wer hätte denn kein Interesse an derlei Dingen?
    Doch nach dem Ende der Betriebsamkeit kam ich mir mit jedem weiteren Augenblick, den ich an diesem Ort verbrachte, nur noch törichter vor.
    Eine Zeit lang versuchte ich, mein Bedürfnis zu verweilen zu rechtfertigen. Ich sagte mir, ich bräuchte bloß etwas Zeit, um meine Gedanken neu zu ordnen, bevor ich wieder ziellos umherwanderte.
    Tief in meinem Innern kannte ich jedoch die Wahrheit. Ich kannte den wahren Grund, warum ich nicht von diesem Fluss wich.
    Ich wollte nicht mehr ziellos umherwandern. Ich wollte mit einem ganz bestimmten Ziel durch die Welt wandern. Ich wollte zu jemandem wandern.
    Jemandem, der beinahe in diesem Fluss gestorben war. Jemandem, der mich, indem er das tat, unwiderruflich verändert hatte.
    Abgesehen von meinem Widerwillen zu gehen, gab es weitere Anzeichen, dass sich eine Veränderung vollzogen hatte. Erstens gab es da das, was ich im Nachhinein als » Rückblenden« bezeichnete. Ich ging durch den Wald in der Nähe des Flusses oder am Ufer entlang, und es stellte sich eine Rückblende ein. Ein Bild – hell und bunt und begleitet von Geruch oder Geschmack – blitzte in meinen Gedanken auf und verschwand dann so schnell wieder, wie es gekommen war.
    Wie meine Albträume kamen auch die Rückblenden unerwartet. Doch statt Schrecken und Schmerz brachten die Rückblenden etwas unendlich Reizvolleres mit sich: mutmaßliche Erinnerungen aus meinem Leben vor dem Tod.
    Bisher war noch nichts Wesentliches in ihnen vorgekommen: ein schwarzes Band, das im Wind flatterte; Reifenquietschen auf dem Asphalt; der erdige Geruch eines Frühlingsgewitters. Keine Menschen, keine Namen, keine mit Leben erfüllten Szenen, die mir einen Hinweis darauf gegeben hätten, wer ich war oder warum ich gestorben war. Ebenso wenig erlebte ich den Geschmack und die Gerüche wirklich. Die Dinge, die in den Rückblenden auftauchten, waren mehr wie ein Schatten ihrer selbst. Aber sie reichten aus.
    So wenig ich auch zu sehen bekam, wurde ich mir doch immer sicherer, dass diese Bilder mir gehörten. Dass es Erinnerungen aus meinem Leben waren, die aus dem Nebel ausbrachen, mit denen der Tod meine Gedanken umhüllt hatte.
    Und zwar seinetwegen. Seiner Augen wegen, die in meine gesehen hatten. Seiner Hand wegen, die so natürlich und mühelos auf meiner Wange geruht hatte, als hätten wir aus dem gleichen Stoff bestanden. Haut, Blut, Knochen. Atmend, sehend, berührend.
    Die bloße Erinnerung an seine Haut auf meiner verursachte mir ein Kribbeln. Aber kein flüchtiges, imaginäres Kribbeln – sondern eine echte Empfindung. Eine tatsächliche körperliche Empfindung. Das war die nächste, höchst erstaunliche Veränderung in meinem neuen Dasein.
    Das erste Mal hatte ich etwas in der Nacht des Unfalls gespürt. Während ich am Flussufer gestanden und zugesehen hatte, wie die Lichter des Krankenwagens verblassten, war ich mir eines eigenartigen Kribbelns an den Fußsohlen bewusst geworden. Verwirrt und verängstigt hatte ich auf meine Füße hinabgestarrt. Auf einmal hatte ich den Schlamm zwischen meinen Zehen gespürt und das Kitzeln des trockenen Grases an meinen nackten Füßen. Dann hatte das Gefühl aufgehört, genauso unvermittelt, wie es eingesetzt hatte.
    Das Ereignis hatte mich, gelinde gesagt, verblüfft. So lange schon hatte ich mich verzweifelt nach einer echten körperlichen Empfindung gesehnt. Ich hatte etwas spüren wollen, irgendetwas, doch ich konnte die Hand auf einen Gegenstand legen, mich fest dagegenstemmen, und es machte nicht den geringsten Unterschied. Ich spürte nichts. Nichts außer einem dumpfen Druck, der mich davon abhielt weiterzugehen.
    Mein Leben nach dem Tod hatte sämtliche Geister-Klischees widerlegt. Ich konnte nicht durch Wände gehen oder gestaltlos von einem Zimmer ins andere schweben. Die lebenden Menschen, die in meine Nähe gerieten, gingen nicht durch meinen Körper hindurch, sondern schienen stattdessen achtlos um mich herumzugehen, als sei ich bloß ein Hindernis in ihrem Weg.
    Das Einzige, was ich spüren und berühren konnte, war ich selbst. Ich konnte meine Haare anfassen, mein Kleid, meine eigene Haut. Nach einer Weile spendete mir diese Ausnahme keinen Trost mehr.

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