Wenn Eltern es zu gut meinen
waren bei mir nicht vorgesehen .« Wenn ich sie jetzt nach ihren Lebenszielen frage, sagt sie als Erstes: »Ich wünsche mir einfach, dass es leichter wird.« Dann fasst sie ihre Gedanken in dem ergreifenden Satz zusammen: »Ich würde nicht gern in dieser Dunkelheit versinken.«
Adriennes Unglück ist typisch für die Selbstwertfalle, in der viele junge Menschen zwischen 14 und 30 stecken, die die größtmögliche Fürsorge, Aufmerksamkeit, Bildung und Hilfe von Fachleuten genossen haben, die ihre Eltern ihnen nur bieten konnten. In meine Praxis kommen viele junge Menschen wie Adri enne, denen ihre negative Selbsteinschätzung und rastlose Unzufriedenheit zu schaffen machen und die sich vor den Herausforderungen eines Lebens in der Welt ohne Unterstützung vonseiten der Eltern fürchten. Viele
von ihnen sind Kinder von Babyboom-Eltern. Ich habe auch viele Eltern in Behandlung, die unglücklich über das Ergebnis ihrer engagierten Erziehung sind. Nachdem sie ihr Bestes getan haben, um ihren Kindern alles Erdenkliche zu bieten, sind diese Eltern verletzt, verblüfft, enttäuscht, ärgerlich und um ihre Kinder besorgt.
Eine andere meiner Klientinnen ist Marie, eine Frau in den Vierzigern, die einmal in der Woche zur Therapie kommt. Marie ist Schulberaterin und hat eine warme, mütterliche Ausstrahlung, die ihre italo-amerikanischen Wurzeln verrät. Sie begann bei mir eine Therapie wegen Machtkämpfen und Kommunikationsproblemen mit ihrem Mann Andy, mit dem sie seit zwanzig Jahren verheiratet ist. Auch wenn Marie sich vor allem von der Last des emotionalen Gepäcks befreien muss, das sie aus ihrer Kindheit in die Ehe mitgebracht hat, verbringt sie nun mindestens die Hälfte jeder Therapiestunde damit, sich über das eine oder andere ihrer beiden heranwachsenden Kinder Sorgen zu machen.
Einmal brach sie sogar in Tränen und Schluchzen aus, als sie mir von einem Vorfall erzählte, der sich einige Abende vorher abgespielt hatte. Sie war mit ihrem 19-jährigen Sohn Michael allein zu Hause, als sie eine Gallenkolik mit heftigen Schmerzen bekam. Stark schwitzend und kaum imstande zu sprechen, rief sie ihren Sohn und bat ihn, ihr das Telefon zu bringen. Er schien erschrocken, als er seine Mutter sah, und fragte knapp: »Was ist denn mit dir los?« Als sie erwiderte, dass es ihr sehr schlecht gehe und sie vielleicht ins Krankenhaus müsse, antwortete er: »Kannst du mir das Telefon geben, wenn du fertig bist? Ich war gerade dabei, mir eine Pizza zu bestellen.«
Während ich Marie zuhörte, merkte ich, wie ich nicht nur als Therapeutin, sondern auch als Mutter reagierte, als Schicksalsgefährtin auf dem scheinbar aussichtslosen Weg, einen verantwortungsbewussten, wachen, mitfühlenden jungen Erwachsenen zu erziehen. Ich hatte tiefes Mitgefühl mit Marie, weil ich wusste, wie schwierig es ist, Mutter eines Jugendlichen zu sein.
Als Mutter und Großmutter einiger großartiger und verantwortungsbewusster junger Menschen habe ich es mir zum persönlichen Mantra gemacht zu sagen: »Als Eltern kann man nicht alles richtig machen« und »Wenn man es irgendwie übersteht und alle überleben, hat man gute Arbeit geleistet.« Einerseits bin ich außerordentlich stolz auf meinen Nachwuchs. Andererseits gilt alles, was ich hier über die Schwierigkeiten des Elternseins sage, auch für mich. Auch meine Kinder hatten wie Adrienne und Michael Probleme mit der Selbstwertfalle. Ihr Leben war teilweise von dem Erzie hungs- und Unterrichtsstil geprägt, der die Kindererziehung in den letzten Jahrzehnten dominiert hat - und sich weiter fortsetzt. Tatsächlich wird er von jungen Eltern übernommen, die in einem Teufelskreis von gesellschaftlichen Ansprüchen und Wirkungen stecken, deren sie sich wahrscheinlich nicht einmal bewusst sind, und die daher Gefahr laufen, die Fehler ihrer eigenen Eltern noch zu überbieten. Als Mutter und Therapeutin glaube ich, dass die Elternrolle nie zuvor so verwirrend und destabilisierend war. Und nie zuvor hatten wir eine Generation von so verwirrten und unglücklichen jungen Erwachsenen, deren Leben, von außen betrachtet, attraktiv aussieht. Irgendetwas ist auf dramatische Weise falsch gelaufen.
Das Problem
Amerikanische Kinder leiden an einem besonders bedrohlichen und verwirrenden Problem. Zwanghafte Selbstbezogenheit, rastlose Unzufriedenheit, der Druck, außergewöhnlich zu sein, die Weigerung, erwachsen zu werden, Gefühle der Über- (oder Unter-)legenheit und übermäßige Versagensangst sind, wie
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