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Wenn er mich findet, bin ich tot

Wenn er mich findet, bin ich tot

Titel: Wenn er mich findet, bin ich tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Rapp
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»Hilft mir einer, die Einkäufe reinzutragen?«
    Paolo opfert sich und ich mach Kolja mit der aktuellen Entwicklung vertraut.
    »Der Jakobsweg, abgefahren!« Er kriegt sich nicht mehr ein. »Nachspionieren kann uns der Chef da nicht. Das hat der Mafioso sauber hingekriegt.«
    Weil alles so ruhig und friedlich ist, will ich einen Tag vor unserem »Daten-Pilgerweg« auf meiner Standardstrecke laufen. Unter der Buche mache ich Dehnübungen und linse dabei übers Land. Nicht paranoid, ich kontrolliere ganz entspannt mein Umfeld, wie jeder vernünftige Mensch das tut. Dann federe ich über den WaldbodenRichtung Graufels, tanze mit Bäumen, tauche unter tief hängenden Ästen weg und lasse mich von Blättern streicheln. Wald ist wunderbar. Dörfer mag ich nicht. Sie strahlen Wahnsinn aus. Unheil kriecht durch die leeren Straßen. Die Geschäfte wirken, als wären ihre Eigentümer gerade eben geflüchtet oder verdampft. Die abmontierten Ladenschriften – Metzgerei, Bäckerei Kranz, Edeka  – sind auf den staubigen Hauswänden noch lesbar, aber alles ist zu, verrammelt, wie ausgestorben.
    Der Wald wird lichter. Gleich komme ich am östlichen Rand von Epflingen vorbei, auch so ein trostloses Kaff. Um den alten, totenstillen Dorfkern herum zieht sich ein Kranz von Einfamilienhäusern jüngeren Datums. Alle haben ein Trockenblumenherz an der Tür hängen, drei blaue Glaskugeln auf Stöcken im Vorgarten stecken und hinter der Garage ein riesiges, angerostetes Trampolin stehen. Was soll das? Ich muss Maria fragen, wieso das so ist. Jetzt ist es Zeit, umzukehren. In den Straßen, egal ob in Lauterstetten, Graufels oder Epflingen, verhallen meine Schritte ungehört. High Noon, Westernstimmung. Im Geist hör ich es ballern, Pferdehufe. In Wirklichkeit bewegt sich nicht mal ein Vorhang.
    Diesmal ist alles anders. Vor der ehemaligen Raiffeisenbank stehen zwei Autos mit laufendem Motor. Daneben drei Typen, die wissen, wie man einschüchternd auf einem Bürgersteig herumsteht. Sie traben los, als sie mich sehen. Aus dem vorderen Wagen steigt einer aus, dreht sich zu mir um und starrt mich an.
    Das ist er.
    Zwei von den Typen kommen mir entgegen. Nicht gelaufen, sondern gerannt!
    Meine Schritte trudeln aus und etwas in mir setzt komplett aus. Denken funktioniert nicht mehr, dafür spring ich aus dem Stand über den grünen Lattenzaun neben mir. Ich rase am Haus vorbei, durch den Garten in den Nachbargarten, vorbei am Trampolin und hinter dem Nachbarhaus weiter durch den Gemüsegarten. Ich setze über die Buchsbaumhecke. Nur ein Gelände mit Neubau trennt mich vom Maisfeld.
    Zack, mit einem Sprung bin ich drin und sehe nur noch grün. Ich muss bergab laufen, dann komme ich zum Wald. Mein Herz, mein Atem und die Maisblätter machen einen Höllenlärm. Wie verrückt flitze ich die schmalen Reihen zwischen den Pflanzen entlang. Dann ist das Feld zu Ende und ich sehe nicht den ersehnten Wald, sondern das Feld mit der halb fertigmontierten Solaranlage. Geduckt laufe ich zwischen der dritten und vierten Reihe weiter bergab Richtung Wald. Ich muss da vorne über den Forstweg, dann kann ich in der Tannenschonung verschwinden. Sie ist zum Greifen nah, aber etwas reißt mich zurück, verdreht mir den Arm und zieht mir die Füße weg. Ich falle vornüber auf den Weg und kriege Staub in die Nase. Eine Schuhsohle im Nacken hindert mich, den Kopf zu drehen, und einen panischen Moment lang denke ich, ich ersticke.
    »Bleib liegen oder ich jag dir ’ne Kugel in den Schädel«, keucht einer von oben auf mich herunter.
    Er ist allein, denke ich, und er bringt mich nicht um, sonst hätte er’s getan. Ich hör Autos näher kommen und weiß: Das ist Goedel. Gleich ist er da. Der wartet nur auf Goedel!
    »Ich rühr mich nicht!«, sag ich, aber er kann mich nichtverstehen, weil ich Dreck zwischen den Zähnen habe. Doch der Druck im Genick lässt nach, und ich ziehe sofort den Kopf zur Seite, dreh mich in einer Bewegung auf den Rücken und trete mit aller Kraft nach oben. Ich erwische ihn zwischen den Beinen, trete noch einmal zu, komm auf die Füße und stolpere in die Tannenschonung.
    »Bleib stehen!«, schreit einer aus dem Auto hinter mir her.
    Ich laufe, so schnell ich kann, in den Wald hinein und brülle: »Goedel, du feige Sau! Komm her und schlag mich tot, wenn du kannst!« Die Arme vor dem Gesicht gekreuzt, stürme ich, ohne Rücksicht auf die peitschenden Äste, vorwärts. Meine Fußspitzen berühren den Boden kaum. Ich springe, falle und

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