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Wenn er mich findet, bin ich tot

Wenn er mich findet, bin ich tot

Titel: Wenn er mich findet, bin ich tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Rapp
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wir im Schließfach ein. Dann latschen wir hinter Paolo her, bis er auf einen hässlichen, sechsstöckigen Kasten zeigt.
    »Das Archiv ist hier im ersten Untergeschoss.«
    »Wie gehen wir vor?«, frag ich.
    »Das Amt ist seit vier zu«, sagt Kolja. »Wir können einfach dreist probieren, ob wir reinkommen.«
    »Guter Plan.« Ich will so schnell wie möglich wieder weg.
    »Ich check mal. Ihr wartet hier«, sagt er.
    Nudeln, Cocktails, Salate, uppen, Frühstück, Pizza steht in weißen Klebebuchstaben auf den Scheiben eines Cafés. Das S von uppen liegt zusammengekringelt auf dem Boden. Ein paar wenige Gäste sitzen zwischen Palmen in Kübeln an Tischen.
    »Ich will mit.«
    »Nein.« Kolja geht einfach.
    Paolo hält meinen Arm fest. »Ich spendier dir ’ne Uppe.«
    Zwei Stunden später ist es dunkel. Paolo ruft Kolja an und wird weggedrückt. 21:00. Er versucht es wieder. Koljas Handy ist abgestellt. Paolo sieht mich an. Angst hat er wie ich. 21:09. Das Café macht zu, aber wir können nirgendwo anders hin. Also drücken wir uns draußen rum. Die Leute kucken schon komisch. 21:21. Ich kenne sämtliche Auslagen am Platz, auch die des Tierfutterladens. Schwierig, eine ansprechende Deko für so was zu finden. Ich bin hundemüde, gestresst, und plötzlich reißt es mir den Kopf herum. Ein Martinshorn gellt. Im Laufschritt kommt ein Wachmann aus dem Foyer den Polizisten entgegen und schließt die Eingangstür für sie auf. Hektisch sehe ich mich nach Paolo um. Wir sind in entgegengesetzte Richtungen gelaufen.
    »Hast du Kolja gesehen?« Er kommt mir entgegengerannt.
    »Nur einen Wachmann. Zwei Bullen sind reingegangen.«
    Das Blaulicht taucht die Gegend in pulsierendes Blau. 21:36. Ich halte das nicht aus. Paolo zerfleischt sich mit Selbstvorwürfen. »Ich Vollidiot. Ich hätte ihn nicht anrufendürfen!« 21:44. Unveränderte Situation. Wir müssen abhauen, ich ernte ständig neugierige Blicke. Mit steifen Beinen gehen wir Richtung Bahnhof. Kuhstraße. Kuhtor. Stecken auf einer Bank die Köpfe über Paolos Handy zusammen. Das machen alle so, das fällt nicht auf. 22:21.
    Es läutet. »Kolja! Ja … ja … ja …« Paolo zerquetscht meine Hand. »Wir treffen uns am Schließfach.«
    DANKE!
    Ich sehe einer auffliegenden Taube nach. Paolo zieht mich hoch, allein schaff ich’s nicht mehr. »Ich trag Koljas Rucksack auf dem Martinsweg.«
    Paolo lächelt. »Jakobsweg.« Sein schönes Lächeln erlischt viel zu schnell. »Ich muss den Chef anrufen.« Wir eilen dem Bahnhof entgegen, während Paolo lügt, Kolja würde schlafen, Wandern sei gut, würde aber wahnsinnig müde machen. Er gibt das Telefon an mich.
    Ich sag: »Gute Nacht, Chef.«
    Hör ihn laut lachen und fragen: »Ist das alles?«
    »Fühl mal, was für eine saugute Matratze du hast, bevor du schläfst.« Ende des Gelabers. Ich leg auf. »Ich hab nicht gelogen.«
    Paolo lächelt. »Du lügst nicht gern?«
    Nee. »Du?«
    »Nicht grundsätzlich, nicht ohne Grund und dich nicht.«
    »Was, mich nicht?«
    »Dich lüg ich nicht an.« Er nimmt meine Hand und lässt mich nicht los, bis wir den Klinker-Klotz-Bahnhof betreten.
    »Kolja!« Er lehnt an den Schließfächern, kalkweiß im Gesicht, ohne Jacke, nur im T-Shirt.
    »Was ist passiert?« Ich will ihn umarmen.
    »Stopp!« Er reißt die Hand hoch. »Nicht anfassen.«
    Sein Bein ist seltsam angewinkelt. Paolo dreht auf dem Absatz um und holt einen Gepäckwagen.
    »Hast du den Schlüssel?«, fragt er mich.
    Ja, in der Hosentasche. Ich kriege ihn kaum ins Schloss.
    »Wir haben Tickets für den Nachtzug und müssen zum Gleis 12.« Kolja lässt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem Gepäckwagen nieder. »Sofort.«
    Paolo legt ihm seine Jacke um. »Auf geht’s, und lacht mal! Nicht nach rechts kucken. Der Bahnhofsbulle kuckt rüber.«
    Paolo schiebt los. Kolja lacht. Es klingt falsch.
    Ich stolpere hinterher und lese die Ticket-Info:
    Ab Duisburg Hbf 22:52, an Dortmund Hbf 23:28.
    Ab Dortmund Hbf 23:56, an Flensburg 05:53.
    Mit Tempo schieben wir am Bahnhofspolizisten vorbei. Gleis  12, 22:50. Kein Zug auf den Schienen. Wir sind schneller als die Eisenbahn. Voraussichtliche Ankunft 23:00, steht auf der Anzeigetafel.
    »Gebt mir die Tickets und Schülerausweise. Schnell, der Bulle kommt, nicht nach links kucken.«
    Wir ziehen unsre Ausweise aus den Gesäßtaschen und packen sie auf die Tickets. Paolo bündelt das Ganze, schiebt es in seine vordere Rucksacktasche und fragt: »Wo fahren wir überhaupt hin?«
    »Nach Flensburg

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