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Wenn es daemmert

Wenn es daemmert

Titel: Wenn es daemmert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoe Beck
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sie zurückzuerlangen – das machte sie wütend, auch wenn sie wusste, dass diese Wut nutzlose Energie war. Die Wut ließ sie an den Fesseln zerren, die er ihr um Hände und Füße gebunden hatte. Dadurch schnitten sie jedoch nur noch tiefer ins Fleisch, und die Haut fing an zu bluten.
    »Es ist nur eine Phase«, hatten die Therapeuten in der Schweizer Klinik gesagt. »In drei Jahren können Sie vielleicht schon ohne zurechtkommen.« Mina würde nicht mehr erleben, ob die Prognose zutraf.
    Dreißig Jahre, und alles, worauf sie zurückblicken konnte, waren Trümmer. Was nutzte die Erinnerung an eine gute Zeit, die Gewissheit, dass es sie einmal gegeben hatte? Man konnte die Vergangenheit nicht zurückholen. Und ihre Gegenwart, ihre Zukunft – nun.
    Es war vorbei.
    Mina hörte, wie sich die Falltür öffnete. Ein schwacher Lichtstrahl fiel durch das Loch, aber außer dem gestampften Lehmboden konnte sie nichts erkennen. Er ließ die Leiter hinunter und stieg zu ihr hinab.
    »Na, aufgehört, um Hilfe zu schreien?«, fragte er und lächelte sie an. Als sie nicht antwortete, fuhr er fort: »Ich habe dir gleich gesagt, es bringt nichts. Der Keller ist zu gut isoliert, und der Zoo ist viel zu nah. Die Tiere im Zoo machen die interessantesten Geräusche, auch und besonders nachts. Warst du schon einmal im Zoo von Edinburgh? Ein sehr schöner Zoo, er lohnt sich.«
    »Gut zu wissen. Wie wär’s mit einem Ausflug, gleich morgen?«, sagte sie. Sie war seines Spiels schon müde, bevor es begonnen hatte.
    »Dieser Keller ist der eigentliche Grund, warum ich mich für das Haus entschieden habe«, sagte Arthur im Konversationston und sah sich um, als wären sie im Tower und er zeigte ihr die Kronjuwelen. »Hier kann man wunderbar Wein lagern. Dort drüben, das sieht man gerade ein wenig schlecht bei dem Licht, steht mein Weinregal. Ich habe ein paar sehr gute Tropfen, das kannst du mir glauben. Der Architekt hatte ein Gasthaus im Sinn, als er dieses Haus bauen ließ. Sonst haben die Häuser hier nicht unbedingt einen Keller. Aus dem Gasthaus wurde dann nichts, und seither ist es ein Wohnhaus. Ich habe es vor zwei Jahren gekauft. Da war dein letztes Buch gerade frisch in den Bestsellerlisten. Hat mir übrigens gut gefallen, das Buch. ›Wasser und Blut‹, ein guter Titel für eine Familiensaga.«
    Sollte es denn wahr sein, dass dieser Mann der Erste und Einzige aus ihrer Familie war, der je ein Buch von ihr gelesen hatte? »Du hast meine Karriere schon länger verfolgt«, sagte sie. Es war mehr eine Feststellung als eine Frage.
    »Von Anfang an, meine Liebe. Immer aus dem Abseits zwar, aber frag mich, was du willst, ich weiß alles.«
    »Ich weiß gerade nicht so genau, was ich von dir wissen will«, antwortete sie und versuchte, Verachtung in ihre Stimme zu legen. Es fiel ihr schwer, denn sie fühlte sich gerade nur müde, verängstigt und schwach. Die Wut, die sie eben noch gespürt hatte, war allzu schnell wieder verflogen.
    »Wir haben Zeit, meine Liebe. Möchtest du etwas essen oder trinken? Lass es mich wissen. Hier unten gibt es auch ein kleines Waschbecken und eine Toilette. Du siehst, im Grunde ist es ganz komfortabel. Nachher bringe ich dir noch eine Matratze. Nur die Fesseln, die kann ich dir nicht abnehmen, ich nehme an, das verstehst du. Vielleicht in ein paar Tagen, wenn wir uns besser kennen.«
    Besser kennen? Wollte er sie nicht umbringen? Die Hoffnung schoss ihr mit viel Adrenalin ins Blut, und sie richtete sich auf.
    »Hast du keine Angst, dass mich jemand findet?«
    Arthur lächelte wieder. »Hier? Ach, nein. Wer sollte denn hier suchen? Niemand weiß außerdem, dass es diesen Keller gibt. Der hat schon mehr als eine Hausdurchsuchung überstanden. Weißt du, die Falltür ist sehr clever in das Parkett eingearbeitet, und natürlich liegt ein Teppich darüber. Kein Mensch kommt auf die Idee, hier nach einem Keller zu suchen. Das erinnert mich an etwas … Man hört immer wieder von diesen Serienkillern, die ihre Opfer im eigenen Garten vergraben oder im Haus einmauern, und jahrelang findet die Polizei nicht den kleinsten Hinweis.«
    »Heute nicht mehr. Heute ist die Technik besser. Die Forensik ist weiter.«
    »Nur, wenn sie wissen, wo sie suchen müssen«, gab Arthur zu bedenken, und sie wusste, dass er Recht hatte. »Aber ich will dir keine Angst machen. Ein dummer Gedanke von mir.« Er sah auf seine Armbanduhr, eine Breitling, wie Mina trotz des schwachen Lichts erkennen konnte. Im Profil sah er Minas

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