Wenn es plötzlich Liebe ist - An unforgettable Lady
muss.«
Na, das war eine Untertreibung.
Grace durchsuchte im Geiste alle Erinnerungen an ihre Kindheit nach Anzeichen für das Doppelleben ihres Vaters. Er war häufig fort gewesen. Er war ein sehr erfolgreicher Mann, daher schien er ständig unterwegs zu einer Konferenz oder anderem. Waren diese Reisen der Vorwand gewesen, um ein anderes Leben führen zu können? Sie überlegte, wie viel sie bei der Stiftung zu tun hatte.Vor seinem Tod hatte er alles erledigt, was sie nun tat, und dazu noch die Investititonen der Familie verwaltet.Wo hatte er nur die Energie dazu gefunden?
Nun, offensichtlich irgendwo anders. Irgendwie hatte er die Zeit gefunden, ein zweites Leben zu führen. Und ein weiteres Leben zu zeugen.
Callie strich sich eine nasse Haarsträhne aus dem Gesicht. »Wo ich jetzt hier neben dir stehe, weiß ich nicht, was ich eigentlich damit bezwecken wollte.«
Grace sah die Frau eindringlich an.
Die Tochter ihres Vaters.
»Du warst es«, sagte sie unvermittelt und starrte auf die Regenjacke. »Du hast mich beobachtet, wenn ich zur Arbeit ging. Hast vor den Restaurants auf mich gewartet. Du bist mir auch zur Beerdigung gefolgt, nicht wahr?«
»Ja.« Callie wandte den Blick ab. »Es war für mich sehr schwer, dich anzusprechen. Ich dachte, irgendwann gehe ich einfach auf dich zu, aber du warst nie allein. Und ich … ich wollte einfach sehen, wie er begraben wurde, denn ein Teil in mir wollte nicht glauben, dass er gestorben war. In den Zeitungen stand nicht, um welche Uhrzeit die Bestattung stattfinden würde, nur das Datum. Ich bin dir gefolgt, weil ich nicht wusste, wie ich mich sonst von ihm verabschieden konnte.«
Grace drehte sich bei diesen Worten der Magen um. Sie schüttelte wieder den Kopf.
»Ich muss gehen«, murmelte sie.
Ohne Ziel ging sie los. Der Regen rann ihr über die Wangen.Vielleicht waren es auch Tränen.
Calla Lily .
Sie hörte die Stimme ihres Vaters.
Sie war bloß wenige Meter gegangen, als sie stehen blieb und sich umsah.
Die Frau starrte ihr nach. Sie wirkte in der Regenjacke sehr schmal.
Es war kein teurer Mantel, dachte Grace, bloß eine billige Plastikjacke. Ihre Schuhe waren alt. Sie sah nicht wie jemand aus, der viel Geld hatte.
Hatte sie sie aufgespürt, um das Testament anzufechten? Wollte sie einfach nur Geld von ihr?
Grace dachte an Smith. Er konnte leicht herausfinden,
wer diese Frau war, und Erkundigungen einholen, ob ihr Motiv vielleicht Geldgier war.
»Es ist kühl«, sagte Grace.»Wohnst du in der Nähe?«
»Nein. Ich lebe in Chelsea.«
Freunde in der Nähe, Feinde noch näher, dachte Grace. Was für eine Redensart.
»Komm mit mir in meine Wohnung, damit du wieder trocken wirst.«
Die blauen Augen betrachteten sie misstrauisch. »Bist du sicher?«
Nein, Grace war nicht sicher.
Doch sie nickte, und Callie näherte sich vorsichtig.
»Du blutest ja!«, sagte sie erschrocken.
Grace senkte den Blick. Sie sah den Kratzer am Bein durch den Riss in der Jogginghose hindurch. Das Blut war schon auf die Trainers getropft.
Eigentlich müsste es wehtun, dachte sie. Komisch, denn sie spürte nichts.
»Bist du sicher, dass du gehen kannst?«, fragte Callie. »Ich kann ein Taxi rufen.«
»Ist schon gut.«
Ja, wenn dieser Horrorfilm meines Lebens aufhört und nicht ständig neue Typen dazukommen, dann ist alles gut.
Zusammen gingen sie zur Straße. Da Grace humpelte, kamen sie trotz des Regens nur sehr langsam voran.
»Du hast das wirklich nicht gewusst?«, fragte Callie leise. »Ich habe mich immer gefragt, ob du vielleicht eine Ahnung hattest. Es ist sicher schwierig für dich … es ist inzwischen siebenundzwanzig Jahre her, und ich finde das Ganze immer noch schwierig.«
Als Grace hörte, wie alt Callie war, löste es eine neue Welle der Wut in ihr aus. Siebenundwanzig Jahre. Über ein
Vierteljahrhundert lang hatte ihr Vater ein Doppelleben geführt. Er hatte alle gezwungen, seine Lüge zu leben.
Grace erinnerte sich mit Bitterkeit an seine Predigt, wie wichtig es sei, bei Ranulf zu bleiben. Er hatte sogar die Bedeutung des Ehegelöbnisses herausgestellt. Diese Bemerkung fand sie rückblickend betrachtet schwerer zu ertragen als seine Vorhaltungen hinsichtlich der Familie Sharone und wie wichtig sie sei. Jetzt, wo Callie sie aufgespürt hatte, klangen seine Worte nur noch heuchlerisch. Grace wollte am liebsten die letzten drei Monate, die sie daraufhin mit Ranulf verbracht hatte, wieder zurückfordern.
Und dazu all die Jahre, in denen sie geglaubt
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