Wenn Gottes Kinder schweigen - Livermore, C: Wenn Gottes Kinder schweigen - Hope Endures
ihr Leben in ein kleines Zimmer hineinzustopfen, sie hatte so viele Dinge, die durchgesehen werden mussten: Bücher, Fotoalben, Töpferutensilien, Farben, Kunstbände, ein Spinnrad, Stoff und eine Nähmaschine. Ich wollte sie auf diesem letzten Teil ihrer Lebensreise begleiten, wie sie mich auf meiner begleitet hatte. Mein Auto und alles, was ich besaß, hatte ich in Osttimor gelassen, und ich musste eine Bleibe finden. Ich fand eine Souterrainwohnung in Bateau Bay in der Nähe von Mamas Einrichtung, zog für eine paar Monate dort ein und überlegte, wo ich arbeiten konnte.
In Osttimor hatte ich einiges über christliche Meditation gelesen, eine stille Form des Gebets, die auf der Wiederholung eines einzelnen Satzes beruhte, eine Technik, die ich als MN hilfreich gefunden hatte. Von Timor aus hatte ich mich per E-Mail für eine Klausur in Ballarat bei dem britischen Benediktinermönch Lawrence Freeman angemeldet. Da Menschen verschiedener Glaubensrichtungen daran teilnahmen, dachte ich, dort vielleicht Antworten zu finden. In der Stille der Klausur jedoch waren meine Gedanken in Aufruhr.
Während ich mir Lawrences Refexionen zu den Geschichten der Evangelien anhörte, stellte ich fest, dass sie mir nicht mehr halfen. Ich glaubte einfach nicht mehr. In unserer Zeit rufen Seefahrer, wenn sie in einem kleinen Boot in ein schweres Unwetter geraten, Gott womöglich an, um dann doch zu kentern und zu ertrinken. Tote kleine Mädchen bleiben tot. In den Evangelien rügte Jesus uns oft wegen unseres mangelnden Glaubens und unserer Furcht. Darauf folgte dann immer ein Wunder, um die Glaubenslektion zu festigen, aber heute geschehen keine Wunder. Immer wieder ging ich mit mir ins Gericht.
Diese Dinge hat es natürlich nicht gegeben; magisches Denken ist etwas für Kinder; Gott ist kein Zauberer.
Schön, aber warum haben die Evangelien ihn dann als solchen dargestellt? Wenn diese kleineren Wunder symbolisch gemeint sind, gab es dann die Auferstehung? Wenn diese nicht in irgendeiner Form stattgefunden hat, es also kein Leben nach dem Tod gibt, fällt das Christentum in sich zusammen.
Wieder fragte ich mich, ob es wirklich Grund dafür gab, in Hoffnung zu sterben. Welche Fragmente des Evangeliums waren »wahr« im Sinne eines wirklichen Geschehens oder als zuverlässiger Führer für die Lebensreise?
Ich hatte erlebt, wie die Bibel benutzt wurde, um Leute, vor allem Frauen, zu ermutigen, sich eine Behandlung gefallen zu lassen, die sie nicht erdulden sollten. Man riet ihnen, ihr Kreuz zu tragen und sich im Leiden »darzubringen«, als ob Gott von uns verlangte, sich in Seinem Namen
gefallen zu lassen, dass einen Rüpel schikanierten. Viele Christen auf den Philippinen und in Osttimor ertrugen ihre schlechte Behandlung auf diese Weise und hofften auf ein besseres Leben im zukünftigen. Mein Glaube verließ mich nach und nach.
Nach meiner Heimkehr suchte ich in Ourimbah einen Arzt auf, weil ich an der timorischen Version eines Delhi-Bauchs und schmerzenden Gelenken litt. Als ich aus der Praxis kam, hatte ich einen Job. Es dauerte ein paar Monate, bis ich mein Vertrauen in die Arbeit als praktische Ärztin wiedergewonnen hatte, denn sie unterschied sich hier sehr von der im australischen Outback oder in den Bergen Osttimors. Wenn ein Patient kam, der über Schmerzen hinter den Augen klagte, dachte ich als Erstes immer an Denguefieber, obwohl an der Central Coast eine Sinusitis sehr viel verbreiteter war. Ich frischte meine Kenntnisse über Menopause, Antidepressiva und Gewichtsreduzierung auf und gewöhnte mich langsam wieder an das Leben in Australien.
Ich zog aus dem Apartment aus und kaufte mir zusammen mit meiner Schwester ein Haus auf einem großen Grundstück. Heute lebe ich in der Erdgeschosswohnung, und Judy und die Kinder wohnen oben. Wir richteten für Mama ein Zimmer ein, damit sie uns an den Wochenenden besuchen konnte, aber nach zwei Jahren schaffte sie es nicht mehr, ins Auto ein- oder auszusteigen, und die Veränderung ihrer Umgebung verängstigte sie zu sehr.
Wir haben einen großen Garten, und die Buschhühner richten viel weniger Schaden an als die timorischen Wasserbüffel,
die meine Versuche vereitelt hatten, in Timor einen Garten anzulegen.
Ich führe ein zufriedenes, erfülltes Leben, obwohl ich mich in mir nicht vertrauten gesellschaftlichen Situationen immer unbehaglich fühle, wenn das Gespräch auf mich kommt: »So, genug von mir, was ist mit Ihnen? Haben Sie
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