Wenn Licht die Nacht durchdringt: (Teil 2) (German Edition)
erreicht, als Marah um die Ecke kam und sie anlächelte. „Guten Morgen. Ausgeschlafen? Wie wäre es mit Frühstück?“
Sie tat einen erleichterten Atemzug. „Ich dachte … Du warst weg und …“ Sie schloss kurz die Augen, um sich zu wieder zu fangen. Alles war in Ordnung. „Gibt es hier denn etwas zu essen? Das Haus ist doch schon länger unbewohnt, oder?“
„Ja, schon eine Weile. Keine Jahrzehnte“, sagte Marah schmunzelnd, „aber lange genug, dass der Großteil der Nahrungsmittel sein Lebensende erreicht hat. Überdeutlich. Besonders die verderblichen Waren aus Kühlschrank und Vorratsschränken. Die schlimmsten Krankheitserreger und Duftträger hat Jo schon beseitigt. Danach ist er in den nächstgelegenen Ort gefahren und hat einige frische Lebensmittel eingekauft. Immerhin werden wir uns erst mal auf unbestimmte Zeit hier aufhalten – und ohne Verpflegung wird das schnell in Mord und Todschlag enden.“
Jetzt, wo Marah es ansprach, fiel es ihr auf. Die Luft roch um einiges besser als gestern, als sie angekommen waren. Zwar immer noch leicht muffig, aber wesentlich gesünder. Sie spürte einen Luftzug an ihren Haaren ziehen und sah, dass im Wohnzimmer, einem behaglichem Raum mit bequem aussehenden Polstermöbeln und gerahmten schwarz-weiß Fotografien an den Wänden, die Fenster vollständig geöffnet waren. Ebenso die Haustüre. So entstand ein Durchzug, der den ganzen angestandenen Mief herausspülte. „Mord und Todschlag?“, wiederholte sie Marahs Worte irritiert.
Diese lachte. „Ich werde sehr schnell reizbar, wenn ich keine Schokolade bekomme – und Jonathan wird sehr schnell reizbar, wenn sein Magen nicht großzügig gefüllt ist. Gut …“, ihr Gesicht nahm einen betrübten Ausdruck an, „im Moment ist er ohnehin ständig gereizt. Unabhängig davon, ob er was zu Essen bekommen hat oder nicht. Allerdings verhindert Essen Schlimmeres, daher sollten wir uns diesen Joker nicht entgehen lassen.“ Sie schenkte ihr ein Augenzwinkern.
Gwen musste lächeln, obwohl auch ihr der Hauch von Betrübtheit auf die Züge glitt. „Was … ist denn passiert?“
Marah zögerte mit einem Blick Richtung Küche. „Jo hat jemanden verloren, der ihm – uns beiden – nahestand. Und er …“, sie hielt kurz inne und begann zu flüstern, „ … nun ja, ich glaube, er gibt sich die Schuld daran. Das ist zumindest mein Eindruck. Der Eindruck, den ich von seinem Ausweichen, Schweigen und Sensatenverfluche gewonnen habe“, sagte sie schließlich mit gesenkter Stimme. „Genaueres sollte er dir aber selbst erzählen – wenn er will. Allerdings bezweifle ich, dass du mehr aus ihm herausbekommst, als ich.“ Sie biss sich auf die Lippe und seufzte. „Oder vielleicht gelingt es dir gerade deswegen: Weil du nicht ich bist. Er meidet das Thema, weil er einfach nicht darüber reden will und zum anderen, weil er sauer auf mich ist, fürchte ich. Aber das ist eine längere Geschichte …“ Sie tat einen tiefen Atemzug.
Ein Gefühl von Verbundenheit stieg in ihr auf – sowohl für Marah, als auch für Jonathan. Beide hatten jemanden verloren, der ihnen viel bedeutet hatte. Marahs Worten nach zu urteilen schien Jonathan eine Menge durchgemacht zu haben und mit sich herumzutragen – ähnlich wie sie. Sie ahnte, wie er sich fühlte, wie es in ihm aussah. Ebenso durcheinander und kaputt wie in ihrem Inneren.
Aus der Küche kam ein lautes Geräusch, das sie zusammenzucken ließ.
„Das ist nur Jo“, erklärte Marah mit dem Anflug eines schlechten Gewissens. „Komm … lass uns beim Frühstück weiterreden.“
Sie folgte Marah in die Küche, in der Jonathan – er drehte sich nicht um, als sie hereinkamen – einige Tüten auspackte. Auch hier waren die Fenster weit aufgerissen, um den in der Luft hängenden Mief loszuwerden. Am Tisch standen drei Pappbecher, einer davon sah ziemlich zerfledert und fleckig aus. Obendrein war er Deckellos – und beim näheren Betrachten leer.
„Setz dich“, sagte Marah und wies auf einen der Stühle. „Jo hat dir einen Tee mitgebracht. Richtig heiß ist er leider nicht mehr, aber immerhin ist es frischer Tee.“
„Vielen Dank“, sagte sie in Richtung Jonathan, während sie sich auf einen der Stühle sinken ließ. Kaffee wäre ihr heute, da ihr Magen sich besser anfühlte, weitaus lieber gewesen, aber sie wollte nicht undankbar erscheinen. Immerhin hatte sie gestern auch Tee und keinen Kaffee getrunken.
Sie versuchte keine Miene zu verziehen, als sie einen Schluck im Mund hatte. Es
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