Wenn Licht die Nacht durchdringt: (Teil 2) (German Edition)
musste grüner Tee oder etwas dergleichen sein, der zu lange gezogen hatte. Er schmeckte jedenfalls ziemlich bitter und war fast gänzlich kalt.
„Hast du Hunger?“ Marah wandte sich um. „Jo, was hast du eigentlich alles an Essbarem mitgebracht?“
Er antwortete nicht, drehte sich aber ein paar Sekunden später zu ihnen um und klatschte eine längliche Papiertüte, eine Packung Aufschnitt und Butter auf den Tisch. „Am besten esst ihr Wurst und Butter zügig auf. Ehe der Kühlschrank eine Generalüberholung abbekommen hat, habe ich nicht vor, etwas hineinzupacken. Genau genommen hätte nicht nur der eine Reinigung nötig. Zum Glück fehlt nichts an der Wasserleitung …“
„Ist das jetzt eine Anspielung darauf, dass das eine Aufgabe für uns Frauen ist?“, fragte Marah, während sie ein herrlich duftendes Baguette aus der Tüte zog.
„Niemals. Solch niederen Arbeiten sind natürlich nichts für
Hexen
…“, entgegnete er spöttisch und stellte drei Teller auf den Tisch. „Das ist sauber“, er legte Besteck nach, „und das hier auch.“
„Wie lange bist du denn schon wach?“
Er zuckte die Schultern. „Keine Ahnung. Zum Lüften, Einkaufen und Kaffeetrinken hat´s jedenfalls gereicht.“
„Lässt es sich auf der Couch einigermaßen schlafen?“
„Willst du mich jetzt über alles ausfragen, was ich gemacht habe, nachdem ihr gestern nach oben gegangen seid?“, fragte er schaubend, während er sich an den Tisch setzte. „Das musst du wirklich nicht.“
„Fein …“, gab Marah spitz zurück. „Dann essen wir jetzt eben einfach und schweigen uns an.“
„Also ich würde mich lieber unterhalten. Da sind immer noch einige Fragen auf die ich gern Antworten hätte“, mischte sie sich ein. „Ihr habt gesagt, morgen wäre noch genug Zeit dafür. Jetzt ist morgen.“
Beide sahen sich kurz an, ehe sie ihr zunickten.
„Woher habt ihr gewusst, dass ich in diesem Krankenhaus bin? Niemand dort wusste, wie ich heiße, wer ich bin oder wo ich herkomme. Ich wusste ja selbst nicht, wo genau ich bin. Wie konntet ihr mich also finden? Woher wusstet ihr
überhaupt
von mir? Wir sind uns zuvor noch nie begegnet – oder?“
„Erfolgreiche Recherche“, entgegnete Jonathan, brach sich ein Stück Baguette ab und biss hinein. „Marah wusste, dass du verletzt bist und in ein Krankenhaus gehen – oder gebracht – werden würdest. Ich habe mich in die Datenbanken sämtlicher Krankenhauscomputer gehackt und alle Patientenaufnahmen der letzten Tage gecheckt. Nach einiger Zeit bin ich auf die Beschreibung einer weiblichen Patientin, Mitte Zwanzig, gestoßen, die Marahs Aussagen über dich nahe kam. Zwar war die Rede von einer „namenlosen Patientin mit Gedächtnisverlust“, doch gingen wir trotzdem davon aus, dass es sich um dich handelt. Andere Hinweise auf deinen Aufenthaltsort habe ich ohnehin nicht gefunden. Außerdem war ich mir ziemlich sicher, dass du diese Patientin bist.“
„Wieso warst du dir dessen so sicher?“
Er sah sie an. „Du kannst es Intuition nennen – oder den Hang in miese Geschichten hineinzustolpern …“ Unter dem Tisch verpasste Marah ihm einen Tritt gegen das Schienbein, sodass er eine verärgerte Grimasse zog.
„Und woher wusstest ihr …“, sie sah Marah an, „woher wusstest du überhaupt von mir? Also dass ich Hilfe brauche? Dass ich verletzt bin?“
„Das habe ich dir ja gestern schon gesagt. Ich weiß es von Hekate. Sie hat in meinem Traum mit mir gesprochen – oder vielleicht war es auch mehr eine Vision. Ich habe einige klare Worte gehört, doch der Großteil bestand aus einem dicken und wirren Wirbel von Bildern und Gefühlen. Nun … jedenfalls wusste ich danach, dass du Hilfe brauchst und dass ich dir helfen soll. Ich hatte das starke Gefühl, dass ich dich über ein Krankenhaus finden würde – daher habe ich Jo um seine Hilfe gebeten. Er ist ein überaus talentierter PC-Hacker.“
„Ich hacke alles – nicht nur Computer. Aber danke für das
überaus
talentiert
, Marah.“
„Gerne“, grinste sie.
Gwen nahm einen weiteren Schluck Tee, unterdrückte ein Schütteln und sprach eine Frage an Jonathan gerichtet aus, die ihr jedoch nicht ganz so leicht über die Lippen ging, weil sie dabei an jemand bestimmten denken musste. „Du … hast gewusst, dass dieser Mann im Krankenhaus ein … Sensat ist? Du bist irgendwie … wütend geworden, oder …?“
Marah hielt in ihrer Bewegung zur Butter inne und fixierte Jonathan mit einem angespannten Gesichtsausdruck. Er griff sich die
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