Wenn Licht die Nacht durchdringt: (Teil 2) (German Edition)
heraus wärmte. Doch einige Flecken blieben unberührt und unerreicht. Es waren jene Flecken, die vom Schmerz ausgefüllt waren – dem Schmerz, den Nikolaj ihr zugefügt hatte. Sie hasste ihn für das, was er ihr und ihrem Vater angetan hatte – und gleichzeitig brachte es sie fast um, ihn zu hassen. Sie brachte ein feines Lächeln zustande.
Er räusperte sich verlegen. „Und … sonst? Wie fühlst du dich? Du siehst erschöpft aus.“
„Ich bin erschöpft.“
Er öffnete den Mund, schloss ihn aber wieder. Erst nach ein paar Sekunden, in denen einzig Marahs gleichmäßiger und tiefer Atem zu hören war, setzte er erneut an. „Wenn ich … irgendwas tun kann …“ Er ließ die Worte in der Luft hängen.
Sie sah ihn an. Lange und durchdringend. „Ich weiß nicht, ob du das kannst. Ich … weiß nicht mal, ob ich es wollen würde.“
„Natürlich …“, erwiderte er knapp, dann stand er ruckartig auf. „Ich dreh eine kurze Runde an der frischen Luft.“
„Natürlich.“ Sie sagte es ebenso nüchtern, wie er. Zumindest versuchte sie es. Aber sie konnte nicht so tun, als würde sie nicht fühlen, was sie fühlte. Sie konnte nicht so tun, als würde in ihrem Inneren rein gar nichts rumoren, als wäre ihr all das, was gewesen war, „egal“. Sie fühlte alles – und sie konnte es weder „nicht fühlen“ noch wegschließen oder verbergen.
Er zögerte, verharrte kurz im Stand, als ob er noch etwas sagen wollte, ging dann aber mit geballten Fäusten aus dem Zimmer. Kurz darauf hörte sie die Haustür ins Schloss fallen.
„Was ist …?!“ Marah schreckte aus dem Schlaf.
„Es ist nichts. Schlaf weiter. Ich weck dich, wenn das Essen fertig ist.“
Marah sah einige Sekunden irritiert im Zimmer umher, ehe sie ihren Kopf wieder gegen die Sofalehne sinken ließ und ihr abermals die Augen zufielen.
***
Das gemeinsame Essen gestaltete sich nicht besonders angenehm. Weder Schweigen noch erzwungene Konversation waren die ideale Lösung für eine solche Tischgesellschaft, wie sie es waren. Zur Pasta mit Tomatensoße gab es demnach nicht etwa Parmesan, der sowohl schmackhaft als auch bekömmlich gewesen wäre, nein, als Würze gab es eine Prise Misstrauen, Feindseligkeit, Abneigung, Hass … Nur, um ein paar Prisen aufzuzählen, die durch die Luft auf ihre Teller fielen.
Das einzig Gute, was sich über das Abendessen sagen ließ, war, dass es nicht lange dauerte. Jeder von ihnen hatte großen Hunger und verschlang sein Essen in Rekordtempo. Nachdem die Nudeln ihren Magen gut gefüllt hatten, war Gwen noch müder als zuvor. Ebenso wie Marah, die halb auf der Tischplatte hing und sich mühte, nicht wegzudösen. Jonathan und Nikolaj zeigten ein ähnlich passiv-angriffslustiges Verhalten: Sie saßen da und spielten mit ihrem Besteck herum.
„Also …?“ Jonathan hob die knisternde Stille auf.
Marahs Arm rutschte unter ihrer Wange weg, als sie aufschreckte. „
Also …?
Also was?“ Sie warf einen Blick über den Tisch und die leeren Teller. „Ich würde sagen: Schlafenszeit.“
„Ja … aber wo schläft unser neuer und unerwarteter Gast?“
„Der neue und unerwartete Gast macht es sich gerne auf dem Sofa bequem. Nur keine Umstände.“
„Auf dem Sofa schlafe ich.“
Nikolaj zog die Brauen hoch. „Du willst dich mit mir um die Couch prügeln? Ernsthaft? Oben gibt es zwei Schlafzimmer.“
„Das hättest du wohl gern, mmhhh? Wir schlafen alle oben, während du direkt am Eingang sitzt und unbemerkt deine Leute einschleusen kannst.“
Nikolaj beugte sich nach vorne. „Ich habe nicht vor, hier irgendjemanden einzuschleusen. Wie oft muss ich das noch sagen?!“ Er klang zornig – und eine Spur bedrohlich.
„So lange, bis ich es dir glaube. Was …“, Jonathan dachte kurz nach, „nie der Fall sein wird. Also, keep going.“
Sie sah, dass Nikolaj die Fäuste ballte und schwer atmete. Marah fiel es ebenfalls ins Auge. „Jungs …“, setzte sie an und sah hilfesuchend in ihre Richtung. Sie konnte ihren Blick jedoch nur mit der gleichen Ratlosigkeit erwidern.
„Ich glaube nicht, dass wir uns nun um unsere Schlafplätze streiten müssen. Es ist genug Platz da. Jo, wenn du auf dem Sofa schlafen und die Haustür im Auge behalten willst, dann schlage ich vor, dass du“, sie sah Nikolaj an, „oben im Gästezimmer schläfst.“ Marah sah fast flehentlich drein. Sie war wirklich mehr als reif fürs Bett.
Merkwürdigerweise flog Nikolajs Blick zu ihr, als ob er ihre Meinung dazu hören wollte. „Das ist eine
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