Wenn Licht die Nacht durchdringt: (Teil 2) (German Edition)
was sie für richtig hielt.
Sie schloss die Augen, um sich auf ihren eigenen Kampf zu konzentrieren. Den Kampf um die Frage nach richtig und falsch, nach der Antwort auf die Frage, wie es nun weiterging.
„Wenn du immer noch dorthin willst, dann bringe ich dich dorthin – nachdem ich Marah und Jonathan zurück in eure Welt gebracht habe. Niemand weiß, wer sie sind. Niemand wird nach ihnen suchen. Sie werden in Sicherheit sein. Sie werden mit all dem hier nichts mehr zu tun haben und sich wieder ihren normalen Angelegenheiten widmen können.“
Sie öffnete die Augen und sah Nikolaj irritiert an. Warum sprach er so? Warum sprach er, als wären Marah und Jonathan nicht hier? Auf seinem Gesicht lag etwas, das sie nicht ganz einordnen konnte – da war etwas Echtes und etwas, das er mit Absicht zur Schau stellen wollte. Nur: Aus welchem Grund? Zu welchem Sinn und Zweck?
Auch Marah und Jonathan sahen Nikolaj an. Jedoch anders als sie es tat. Und da erkannte sie es. Er hatte nicht vor, die beiden zurückzubringen. Er forderte sie heraus, ihm – seiner Entscheidung für sie – zu widersprechen. Er bluffte. Doch das erkannte keiner der beiden. Nur sie tat es.
Sie wollte etwas sagen, doch die Sekunden verstrichen, die Herzschläge wogten in ihrer Brust, ohne dass ein Wort aus ihrem Mund kam.
Jonathan drehte sich mit in den Nacken gelegten Händen im Kreis, holte mit dem Fuß aus und trat gegen den nächstbesten Stamm. „Verdammt noch mal …! Das ist doch alles purer Wahnsinn …! So oder so!“
„Du wirst uns an einen Platz nächstgelegen zum Ursprungsgrund bringen? Und dann? Steuern wir einfach drauf zu?“, fragte Marah in sachlichem Tonfall.
„Ich denke, so sieht der Plan aus“, gab Nikolaj zurück, ein zufriedenes Funkeln in den Augen. „Meinst du, du kannst uns verschwinden lassen oder unsichtbar machen? Wie auch immer du das nennst.“
„Ich kann es versuchen – aber ich kann nichts versprechen. Dazu brauche ich das Luftelement, was hier ebenso zwielichtig ist, wie das Erdelement. Außerdem bewegen wir uns. Das macht es zusätzlich schwieriger.“
Nikolaj nickte geistesabwesend.
„Und was dann? Wenn wir da sind?“
„Dann hoffen wir“, Nikolaj sah bedeutungsschwer von einem zum anderen, „dass ich mir mein Gefühl nur eingebildet habe und Gwen sich geirrt hat. Du“, er fasste Marah ins Auge, „solltest uns tarnen und schützen, Gwen sollte wissen, was zu tun ist und es tun, und dann sollte ich uns allesamt von dort wegbringen. Falls Gwen und ich recht hatten und du nichts ausrichten kannst, sollten wir alle emsig damit beschäftigt sein, mit Händen und Granaten um uns zu schlagen, während Gwen tut, was sie tun muss und ich uns danach aus der Gefahrenzone bringe. Auf jeden Fall sollten wir versuchen, dicht beieinanderzubleiben. Weil es für Marah leichter ist“, er sah sie kurz an, „und weil wir einen schnellen und geschlossenen Abgang machen müssen.“
„Wisst ihr was?“, fragte Jonathan spitz. „Das ganze
Ausspähen der Lage
hätten wir uns sparen können. Jetzt läuft es ja trotzdem darauf hinaus, dass wir uns mitten in die Schussbahn werfen. Das hätten wir vorher auch schon machen können – dann wäre ich jetzt womöglich schon tot und müsste mich nicht mehr ärgern …“
„Jo!“ Marah schnellte nach vorne und bevor jemand sich versah, holte sie aus und knallte ihm eine. „Du bist echt ein ABSOLUTER ARSCH!! Nur damit ich es noch einmal gesagt habe, bevor ich es nicht mehr kann! Weil du tot bist! Pffff …!“
Jonathan rieb sich schnaubend die Backe. „Schön … dann kann ich dich ja nochmals daran erinnern, dass du genau
deswegen
Single bist!“ Er fasste Nikolaj ins Auge. „Und jetzt bring uns endlich in die Stadt, damit ich irgendetwas oder irgendwen in die Luft jagen kann.“
ZWANZIG
„ Stehenbleiben“, zischte Nikolaj, unmittelbar nachdem sie in den inneren Kreis der Stadt übergetreten waren, streckte den Arm aus und wies sie an, sich dichter an die Hausmauer zu pressen. „Das ist dein Moment, Marah. Was auch immer du für uns tun kannst – tu es. Jetzt.“
Marah nickte.
An der Hauptstraße, seitlich der Gasse in der sie sich befanden, schlenderten zwei Männer und Frauen vorbei. Alle taumelten leicht, unterhielten sich in losgelöstem Tonfall, ehe die Frauen stehenblieben und sich ein anzügliches Zungenspiel lieferten, ganz zur Freude der Männer, die in euphorisches Sabbern verfielen.
„Ist das eine abendliche Peepshow?“, zischte Jonathan leise.
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