Wenn nichts mehr ist, wie es war
machte, teuer gewesen zu sein. Nur etwas trübte den scheinbar vo r sichtig gewahrten Schein. D iese Frau hatte die Augenlieder geschlossen. Augenscheinlich war das Bild nach ihrem Tod aufgeno m men worden, was Beth äusserst merkwürdig fand . Anhand der Inschrift auf dem Grabstein liess sich e r kenne n , dass die Frau im Alter von 35 Jahren gestorben ist und dies ein Jahr vor Beths Geburt. Wehm ü tig dachte Beth , wie hübsch diese Frau zu ihren Lebzeiten gewesen sein musste , wenn sie auf dem Bild bereits so stilvoll wir k te .
„ Hübsche Louisa , w as hat dich bloss so jung in den Tod getri e ben?“ Flüsterte Beth fragend dem Bild zu. Als s ie bemerkte, dass sie fast schon eine Antwort erwartete , wurde ihr plötzlich unhei m lich zumute . Bli n zelnd schüttelte sie ihren Kopf um die düsteren Gedanken wieder loszuwerden und entfernte sich rasch von der Grabstä t te.
Was Beth nicht wusste, war dass Dina zur gleichen Zeit ebenfalls auf diesem Friedhof war. Geschützt von einer Trauerw eide kniete sie an einem Grab . Mit viel Mühe eingravierte geschwungene Lettern zie r ten den Stein, die zusammen den Namen des Toten formten. Pierre Clement . Dina wischte sich m it einem Tasche n tuch über die feucht glänzenden Augen. Der Schmerz hatte zwar nach so langer Zeit nachgela s sen, aber an diesem Ort trieb ihr alleine die Tatsache des eigentlichen Verlusts die Tränen in die A u gen.
„Na, wie geht es dir heute? Ich habe dir Veilchen mitg e bracht. Ach ja , und Jake lässt dich bestimmt lieb grüssen. Du weißt ja, er kann nicht so einfach nach Nizza zurückkommen, aber ich glaube, er ve r misst dich genauso wie ich. Natürlich weiss ich, dass du dir deinen Herzfehler nicht ausgesucht hast, aber gleich daran zu ste r ben wäre nun wirklich nicht nötig gewe sen.“ Lieb e voll legte sie die Veilchen nieder.
Seit Dina das Grab regelmässig besuchte, war es für sie eine Art Ritual geworden, mit dem Toten zu sprechen. Sie hatte das G e fühl, ihm so etwas näher sein zu können, fast so, als wäre er noch da. Da r um warf sie ihm auch gerne vor, seinen Herzfehler, den er seit seiner G e burt gehabt hatte , für ein frühes Ableben ausgenu tzt zu haben, nur damit er der ewige Sieger bei den alltäglichen Za n kereien bleiben konnte. Dieser Gedanke hatte etwas Makaberes, das wusste Dina, aber es half ihr ein bisschen , sich besser zu fü h len , weshalb sie sich nicht gegen diese Einbi l dung wehrte.
Kapitel 5
„Hallo! Ich bin zurück!“ Beth betrat D i nas Wohnung und schaute auf die an der gegenüberliegenden Wand hängende Uhr. „So ein Mist, ich bin ja viel zu spät! Dina? Bis t du da?“ Keine Antwort. „Sel t sam…“
Verwundert ging Beth durch die Räume der Wohnung, doch Dina war nirgends aufzufinden. Eigentlich war ausgemacht gewesen, dass Dina das Abendessen kochen würde und Beth wollte einige DVD’s ausleihen. Da Beth sich an ihren Teil der Abm a chung gehalten hatte, konnte sie nun eine Tüte mit DVD’s n eben den Fernseher stellen, als ihre Suche nach Dina im Wohnzimmer ein Ende fand . Wahrschei n lich hatte sie es vergessen. Bestimmt sass sie jetzt bei einem Candlelight- Dinner in der Wohnung von Henry und wartete auf den Abwasch. Beim G e danken daran, wie ihre Tante rot angelaufen war , als sie im Restaurant über Henry und den Abwasch tratschten, brach Beth wiede r in schallendes Geläc h ter aus.
Es dauerte einige Minuten , bis sich Beth wieder soweitgehend erholt hatte , dass sie in die Küche schle n dern konnte, um sich etwas zum Abendessen zuzubereiten. Einen Teller Spaghetti, zwei Kugeln Eis c rème und drei DVD’s später war Beth auf dem Sofa eingeschlafen. Gegen fünf Uhr morgens wurde sie etwas unsanft aus dem Schlaf gerissen. Benommen blinzelte sie in die Dunke l heit, um die Ursache ihres Erw a chens auszuma chen. D a hörte sie auf einmal erneut dieses Klingeln, das ihr im Traum schon aufg e fallen war und so gar nicht zum Tanz mit Pa t rick Swayze gepasst hatte . Langsam begriff sie, dass das Telefon in der Küche diesen schonungslosen Ton produzie r te. „Ja, ja, ich komme…“ Verärgert raffte sie sich auf und watschelte in die Küche. Eine ernste Sti m me meldete sich am anderen Ende der Leitung. , „Madame Elis a beth Cl e ment?“
Bei der Erwähnung ihres ganzen Namens wurde Beth schlagartig hellwach. Ohne es zu merken umfasste sie den Hörer fester, bevor sie an t wortete. „Ja?“
„Hier spricht die Polizei. M ein Name ist Inspecteur Rus seau.
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