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Wenn nur dein Lächeln bleibt

Wenn nur dein Lächeln bleibt

Titel: Wenn nur dein Lächeln bleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Lind
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es ja nicht hinge kriegt. Ich habe ihm gesagt, er soll sich Zeit lassen und erst morgen wiederkommen.«
    Die Plastiklatschen bewegten sich wieder schmatzend Richtung Tür.
    »Hädicke? Morgen früh um sechs. Gleiche Stelle, gleiche Welle.«
    Sie lachte, so als wäre ihr ein köstlicher Witz gelungen. »Schönen Abend noch!« Tick. Fünfundzwanzig Minuten nach fünf.

3
    W ie auf rohen Eiern wankte ich wieder in die Dreierzelle, aus der mir sehr menschliche Gerüche entgegenströmten. Nach Schweiß, Blut, Neugeborenenstuhl. Elke hatte ihren Säugling im Arm und säuselte ihm verliebt zu: »René! Ja sag mal Hallo, René! So ein Dicker, sag mal! Neun Pfund, da freut sich der Papa! Du kleiner Goldschatz, du … Und die Oma freut sich auch.«
    Jutta war noch im Kreißsaal.
    »Herzlichen Glückwunsch!«, presste ich heiser hervor und strich dem dicken Neunpfünder liebevoll über die Glatze. »Mensch, das ist ja echt ein Brocken!«
    »Ging ganz schnell«, sagte Elke stolz, in deren rechtem Auge ein Äderchen geplatzt war. »Wenn man erst mal weiß, wie es geht, presst man auch richtig. Es ist wirklich so, als würde man eine Melone scheißen. Tut zwar kurz höllisch weh, aber wenn du den kleinen Bengel dann im Arm hast, durchströmt dich ein Glücksgefühl … Bombe sag ich dir! Übrigens war dein Bernd da.«
    »Ich weiß.« Schüttelfrost überkam mich, und ich verzog mich zitternd und zähneklappernd unter meine kratzige Bettdecke.
    »Der hat vielleicht bedröppelt geguckt, als die Schwester gesagt hat, er kann gleich wieder gehen.«
    Mir brach schier das Herz. Hätte ich doch nur drei Minuten sein Gesicht sehen, nur einmal seine Hand halten, nur einmal seinen Duft atmen dürfen. Was hätte ich jetzt nicht für ein tröstendes Wort, eine Aufmunterung, ein liebevolles Lächeln gegeben!
    »Und bei dir?«
    »Nüscht.« Ich hatte mir schon Elkes Tonfall angewöhnt.
    »Ach, mach dir nüscht draus!« Elke schüttelte ihren René, damit er ein Bäuerchen machte. »Ist alles Übungssache. Beim Ersten tut man sich schwer.«
    In diesem Moment wurde Jutta hereingerollt. Sie hatte ein gesundes Mädchen zur Welt gebracht und strahlte erschöpft, aber glücklich.
    »Meine Susanne ist im Babyzimmer. Sie wird gerade gewaschen. Alles dran!«
    »So, geben Se her den kleinen Maxe …« Die Schwes ter schob Jutta an ihren angestammten Platz neben der Heizung und schnappte sich ohne Vorwarnung René, der satt und erschöpft an Elkes Busen hing.
    »Der kommt jetzt ins Kinderzimmer, und ihr macht hier das Licht aus.«
    »Jawoll, Schwester.«
    »Und Ruhe jetzt, klar? Nicht mehr lange rumgiggern. Wir sind hier nicht im Ferienheim!«
    »Jawoll, Schwester.«
    »Lasst die Hädicke in Ruhe. Die muss morgen früh um sechse wieder ran.«
    »Geht klar, Schwester. Gute Nacht.«
    Das Licht wurde ausgeknipst, und um mich herum wurde alles schwarz.
    Nach kurzer Zeit hörte ich die beiden Wöchnerinnen leise schnarchen. Sie waren erschöpft, aber glücklich.
    Ein stechender Schmerz durchzuckte mich.
    Es war die nackte Angst.
    Am nächsten Morgen um Punkt sechs flog die Tür auf, mein Bett wurde von mehreren Schwestern hinausgerollt, ohne dass jemand auch nur das Wort an mich richtete. Ich hätte auch eine Mülltonne sein kön nen, die routinemäßig nach draußen geschoben wird. Wieder wurde ich von kalten fremden Händen an den Wehentropf angeschlossen. In Erwartung der mir schon bekannten Schmerzen kniff ich die Augen zusammen. Da drosch auch schon die erste heftige Wehe auf mich ein, und meine Folter begann erneut.
    Stunden über Stunden lag ich so da, meine Verzweiflung wuchs, meine Kräfte schwanden und damit auch jede Hoffnung auf baldige Erlösung. Niemand kümmerte sich um mich. Neben dem unbarmherzig langsamen Ticken dieser grässlichen Uhr waren die schmatzenden Schritte der hin und her eilenden Schwestern und Hebammen zu hören. Türen knallten, Befehle verhallten, und die Schreie der Gebärenden drangen mal lauter, mal gedämpfter aus den umliegenden Sälen. Weil bei mir nichts voranging, hatte man mich einfach irgendwann auf den Gang geschoben, wo ich vor mich hin wimmerte.
    Nein, diesen Tag würde ich nicht überleben. Und mein Baby …? Was war mit meinem Baby? Wie entsetzlich musste es leiden? Das konnte doch nicht normal sein, dass man dieses winzige Wesen dieser tagelangen Tortur aussetzte?
    »Bitte, Schwester!« Meine Lippen waren staubtrocken.
    »Keine Zeit!«
    »Nur ein kleiner Schluck Wasser!«
    »Sie sind noch lange nicht

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