Wenn Wir Tiere Waeren
später am Telefon.
Wo bist du? fragte Maria.
Zu Hause, antwortete ich, ich bin frei, seit ungefähr zwei Stunden.
Frei? Wirklich frei?
Mein Verfahren wurde eingestellt, sagte ich, beziehungsweise ich wurde entlassen, weil ich geständig bin und keine Fluchtgefahr besteht.
Mein Gott, sagte Maria.
Ich freu mich riesig, sagte ich.
Und ich erst!
Wann kommst du?
Nach dem Büro, sagte Maria, vorher kann ich nicht.
Im Radio ertönte die 4. Orchestersuite von Bach. Der Klang heller Trompeten drang zuerst in mein Zimmer und dann in mein Innerstes. Ich setzte mich auf einen Stuhl und blickte wie ein verwundertes Tier auf den Boden. Momentweise glaubte ich, Bach komponierte dann am besten, wenn er so tat, als könne er nicht komponieren. Je unfähiger es klang, desto besser und großartiger war Bach. In allen Orchesterkonzerten Bachs treten jeweils mehrere Soloinstrumente in unterschiedlichen Kombinationen aus dem Tutti hervor. Ich wartete eine Weile auf weitere Eingebungen über Bach, aber es kam nichts mehr. Auf meinem Tisch lag ein ehemals weißes, jetzt fast weißgraues Tischtuch. Ich musste es entfernen, ehe Maria eintraf. Ich hatte ein bisschen Nasenbluten, nicht viel, ich hielt mir mit einemTaschentuch das linke Nasenloch zu. Im Badezimmer hatte ich einen Rest Stillwatte, den ich mir ins linke Nasenloch drückte. Als ich ins Zimmer zurückkehrte, lief im Radio ein Violinkonzert von Brahms. Leider betätigte ich mich schon wieder als Komponistenkritiker. Wenn sich die großen Komponisten langweilten, schrieben sie viel zu lange Violinkonzerte, dachte ich. Für Augenblicke erkannte ich meinen innersten Feind, meine lächerliche Verstiegenheit. Weil ich mich immer noch nicht zu Hause fühlte, zog ich das Unterhemd von gestern nochmal an. Ich hatte gern Mitleid mit Menschen, die gerade merkwürdig wurden. Insofern hatte ich in diesen Augenblicken auch Mitleid mit mir, was ich ausnahmsweise ertrug. Vorsichtig zog ich die Stillwatte aus meinem Nasenloch. Mein Nasenbluten hatte aufgehört. Eine Nebensache, mein sitzendes Herumtrödeln auf einem Stuhl, wurde langsam zur Hauptsache. Ich dachte an Maria, die in etwa dreieinhalb Stunden bei mir sein würde. Auch sie steckte in einem falschen Leben und hatte keine Kraft, für sich ein richtiges Leben zu finden. Schon öfter hatte ich beobachtet, wie sorgsam sie auf ihrem Balkon ihre Blumen und Pflanzen hegte. Als Maria wieder einmal klagte, dass sie nicht wisse, was sie machen solle, schlug ich vor, sie sollte Gärtnerin werden. Maria war sofort empört. Gärtnerin! Sie wollte unbedingt eine intellektuelle Tätigkeit, egal wo, und sei es in der Werbung. Ich hatte vor der Begegnung mit Maria ein wenig Angst, aber dann war das Wiedersehen einfach und direkt. Schon im Treppenhaus fielen wir übereinander her. Bei der Umarmung fasste ich ihr so tief in die Unterhose, dass ich meinen Mittelfinger auf ihre Spalte legen konnte. Schon im Flur zogen wir uns aus, ich öffnete eine Flasche Wein, aus Begeisterung trank Maria sofort zwei Gläser leer. Mariabeglückwünschte mich überschwenglich zu meiner Freilassung. Ich küsste ihr den Schweiß und die Schminke herunter, ich steckte mir ihre Brüste in den Mund, als wäre ich am Verhungern, was ich vielleicht auch war. Als ich in ihr drin war, sagte sie: Es ist, als wäre dein Ding ein Organ von mir. Wir kicherten und bewegten uns nur wenig, wir wollten so lange wie möglich ineinander verharren. Durch die lang anhaltende Reibung unserer Körper rutschte Maria in eine allmähliche Selbstversenkung hinein. Ich dagegen beobachtete heimlich die Augenblicke, weil ich meine Heftigkeit heranschleichen sehen wollte. Mach weiter, wenn du kannst, sagte Maria leise und hielt sich an mir fest. Leider wurde es zunehmend unmöglich, unsere Erwartungen aufeinander abzustimmen. Maria drückte mich, ohne es zu wollen, immer tiefer in mein eigenes Verlangen hinein, bis ich plötzlich heftig wurde und dazu überging, sie bloß noch rhythmisch zu stoßen. Maria wurde erneut schweißnass, sie sagte: Oh, ich habe das Gefühl, gleich brechen mir die Beine ab. Kurz darauf kamen einige rufende Laute von ihr, dann verstummte sie und drosselte ihr Tempo und rollte sich seitlich von mir herunter. Hinterher wollte ich ihr eine Frage stellen, die mir während des Beischlafs eingefallen war, aber ich konnte mich nicht konzentrieren und schlief ein.
Ich hatte nicht das geringste Bedürfnis, in einem Möbelhaus umherzugehen, schon gar nicht in der sogenannten
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