Wenn Zauberhaende mich beruehren
dafür hatte, sich eine Lüge auszudenken. »Er könnte wegen Bankraubs gehängt worden sein.«
»Verstehe.«
Kady kniff die Lippen zusammen. »Sie können sich Ihren Spott sparen, denn Sie begreifen offenbar nichts.«
»Immerhin begreife ich, daß Sie weder über eine Waffe noch über Unterstützung verfügen. Himmel, Sie scheinen ja nicht einmal ausreichend informiert zu sein. Wie können Sie dann jemanden vor irgend etwas bewahren wollen?«
Kady lief noch schneller.
»Also was haben Sie vor? Etwas Wundervolles kochen, damit Ihnen die bösen Jungs Tarik als Dankgeschenk überreichen?«
»Nein, ich werde Sie gegen ihn austauschen«, knirschte Kady und hätte sich ohrfeigen können, die Frau um einen Gefallen gebeten zu haben.
»Kein schlechte Idee.«
Kady warf einen Blick auf Wendell. »Sie würden mit Sicherheit für eine gewisse Ablenkung sorgen«, sagte sie. Wendell lächelte.
»Hören Sie, Küchenmaus, wir sollten einen Plan ausbaldowern.«
»In Ordnung, Motorradmieze, aber den baldowere ich aus.«
Wendell lachte schallend. »Es ist nicht so, daß ich Frauen besonders schätze, aber Sie könnten mir fast gefallen.«
»Wenn das ein Kompliment gewesen sein soll, dann bedanke ich mich dafür. Und jetzt sage ich Ihnen, was ich vorhabe. Ich möchte, daß Sie sich verstecken. Ich möchte, daß niemand Sie sieht, während ich in den Ort gehe und...«
»Den Teufel werde ich! Ich werde ...«
»Sie würden nur Aufsehen erregen«, schrie Kady. »Daran liegt mir zwar fast ebensoviel wie Ihnen, aber erst, wenn ich es Ihnen sage.«
Wendell lächelte selbstgefällig und Kady holte tief Luft. »Ich werde allein in den Ort gehen, um zu erkunden, wo Tarik ist und was eigentlich vorgeht. Mir wird niemand auch nur die geringste Aufmerksamkeit schenken. Sie werden hier warten, bis ich zurückkomme und Sie hole.«
»Ich soll mich also unsichtbar machen?« fragte Wendell, als wäre das unmöglich. »Also gut, schwirren Sie los. Ich werde mich ein wenig ausruhen. Hinter mir liegt eine anstrengende Nacht.«
Kady sah zu, wie Wendell ihr Motorrad in den Schatten einiger Pappeln schob, und rannte dann los. Wenn sie sich an ihren damaligen Aufenthalt mit Ruth Jordan richtig erinnerte, befand sie sich auf der Damnation Road. Links von ihr war die Jordan Line, und damit hielt sie sich unberechtigt auf der »Jordan-Seite« auf. Würden die Wachtposten auf sie schießen?
Plötzlich vernahm sie das Klirren von Stahl auf Stahl, das sie in Hunderten von Abenteuerfilmen gehört hatte. »Tarik!« murmelte sie halblaut, blieb stehen und lauschte. Als sie das Geräusch wieder hörte, lief sie durch das tiefe Gras auf die Rückseite der Bibliothek zu.
Wie angewurzelt blieb sie stehen und rang nach Luft. Vor ihr hielt ein Mann Tarik bei der Kehle gepackt und hob ein riesiges Krummschwert, um ihm den Kopf vom Körper zu trennen. Kady bückte sich, griff nach einem großen Stein, sprang von hinten auf den Mann zu und schlug ihm damit über den Schädel. Sofort brach er in sich zusammen.
»Was zum ...?« begann Tarik verblüfft, als der Mann ihn unvermittelt losließ.
»Geht es dir auch gut?« rief Kady und warf ihre Arme um seinen Hals. »Hat er dich verletzt? Wollen Sie dich etwa hängen? Luke konnte entkommen, er wollte dir auch helfen, aber ...«
Sie brach ab, weil sie spürte, wie Tarik von irgend etwas geschüttelt wurde. Von - Lachen.
Langsam löste sie sich von ihm und sah ihm ins lachende Gesicht. »Entschuldige«, sagte sie spröde und drehte sich um, aber er zog sie wieder an sich.
»Kady, Engel, habibi«, sagte er, konnte seine Erheiterung aber kaum beherrschen. »In einer Sekunde erkläre ich dir alles, aber zunächst sollte ich mich um meinen Großvater kümmern.«
Kady sah ihn noch immer nicht an. Seit Stunden verging sie fast aus Angst um ihn, aber er tat so, als wäre es ihm nie besser gegangen. Dieser Mann hatte ihre Sorgen um ihn nicht verdient. Sie würde in Onkel Hannibals Legend zurückkehren und den ganzen Zwischenfall einfach vergessen. Noch besser, sie vergaß, daß die Jordans je existiert hatten.
Aber Tarik legte ihr den Arm um die Schultern und hielt sie fest. Dann beugte er sich über den auf der Erde liegenden Mann. »Alles in Ordnung?« fragte er.
Kady wollte den Mann nicht ansehen, denn wenn sich Männer mit Schwertern an die Gurgeln gingen, dann waren das »Scherze«, die sie auf den Tod nicht ausstehen konnte. Aber als der Mann zu ihr aufblickte, hielt sie den Atem an. Er war Tariks Spiegelbild.
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