Wer aaahh sagt...
Lane, aber ich fuhr in das umgebaute Trockenhaus einer Brauerei, in der Jim, jung verheiratet, im Winter vor zwei Jahren eingezogen war, um sich seinen Wahlkreis warmzuhalten. Im Frühjahr darauf wurden Sandra und ich von einer Einladung zum Abendessen überrascht.
»Er ackert sich durch alles durch, was Rang und Namen hat«, stellte sie nüchtern und ernüchternd fest. »Es werden ein Dutzend Leute da sein, und sicher auch dieser fürchterliche Waschsalon-Millionär, der im Golfclub gegen dich gestimmt hat.«
Ich konterte: »Aber das wäre so, als würden wir eine Einladung zu einer Gartenparty im Palast ausschlagen.«
Sie zeigte plötzlich Interesse. »Ob er uns vielleicht eine Einladung verschaffen kann? Ich würde so gern einmal hinter die Kulissen des Buckingham Palastes sehen. Das ist genauso faszinierend, wie in der Küche einer anderen Hausfrau zu gucken.«
Das Trockenhaus glänzte noch vom frischen Anstrich. Ein ausländisches Mädchen in einem hübschen Hauskleid öffnete die Tür, und ein anderes nahm Sandra lächelnd den Mantel ab. Das runde Wohnzimmer hatte weiße Wände, an denen würdevolle Porträts hingen; die Möbel waren auf Hochglanz poliert und hübsch
angeordnet. Man fühlte sich, als bekäme man in einem Antiquitätenladen einen Drink angeboten.
Neben dem gemauerten Kamin und den Holzscheiten stand Jim, groß, blond, glattrasiert, gutaussehend und bemüht charmant. Seine Frau Charlotte, die auf dem mit Chintz bezogenen Sofa saß, war dunkelhaarig, sprach deutlich akzentuiert, eifrig bedacht, uns zu gefallen, und war liebenswürdig. Allmählich dämmerte es uns, daß wir die einzigen Gäste waren. Ich zwinkerte Sandra durch meine neue runde Bifokalbrille zu, von der meine beleseneren Patienten meinen, daß ich damit Mr. Pickwick noch ähnlicher sehe.
Die erste Regel englischer Konversation lautet, daß man sich nicht lächerlich machen darf. Ich war noch nie einem Abgeordneten begegnet, noch nicht einmal einem nichtgewählten. Ich wurde geistig von nichts Höherem in Anspruch genommen als unserem Churchforder Gesellschaftsklatsch, bis wir das filet de boeuf in dem Eßzimmer mit der Balkendecke zu uns nahmen. Jim fragte mich, was ich von der Atombombe hielte - »als Arzt«.
»Leider sind Ärzte«, ich nahm einen Schluck vom Chambolle-Musigny, »außerhalb ihres Berufes nicht scharfsichtiger, klüger oder gar vernünftiger als irgendwelche Hafenarbeiter.«
Jim lächelte. »Ihr Job ist es also, auf einem Gebiet ein Experte zu sein, der eines Abgeordneten hingegen so zu tun, als sei er Fachmann auf allen Gebieten?«
»Na ja, relativ gesehen. Die besten Ärzte sind die, die am besten wissen, was sie nicht wissen.«
Ich fand, daß ich mich recht gut aus der Affäre zog.
»Aber der Ärzteverband ist doch sicherlich der Meinung, daß der Gesundheitsdienst nicht mit den Folgen eines Atomkrieges fertig werden würde.«
»Genausogut könnte man sagen, daß die Straßenkehrer von Pompeji außerstande waren, mit den Folgen des Vesuvausbruchs fertig zu werden.«
»Dann soll ich mir also gar nicht erst die Mühe machen, einen Krankenwagen zu rufen, wenn die Bombe auf Churchford fällt?«
»Das wird sie nicht. Der Weltfrieden wird von einem Hund bewahrt.«
Alle sahen mich verdutzt an.
»Vom Pawlowschen Hund«, erklärte ich beruhigend. »Die Regierenden leiden glücklicherweise alle unter einem bedingten Angstreflex. Wer würde einen Krieg anfangen ohne die geringste Chance, ihn zu gewinnen? In der guten alten Zeit von Armee und Artillerie war das einfach. Man brauchte nur dafür zu sorgen, daß die eigene stärker war als die der Feinde. Heutzutage kommt eine Bombe schneller zurück als ein Return in Wimbledon.«
»Sie sind ein Optimist«, murmelte Charlotte.
»Optimismus ist der wichtigste Bestandteil aller Rezepte«, klärte ich sie auf.
»Und falls Richard unrecht hat«, erklärte Sandra, »dann ist das ebenso schmerzlos, als hätte man sich mit dem Leben nach dem Tode geirrt. Ist es einmal so weit, dann ist es zu spät, sich darüber noch Gedanken zu machen.«
»Vor dreißig Jahren war jemand der gleichen Meinung wie Ihr Mann«, sagte Jim liebenswürdig. »>Es liegt in der Ironie der Sache, daß wir eines Tages eine Phase erreichen werden, in der die Sicherheit das störrische Kind des Schreckens ist und das Überleben der Zwillingsbruder der Vernichtung.< Winston Churchill zu zitieren, steht jedem Parlamentarier an.«
Ich fühlte mich geschmeichelt.
»Die Trauen für den Frieden<
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