Wer abnimmt, hat mehr Platz im Leben
konnte stolz verkünden: »Ja, es sind jetzt neunzehn Kilo!« Auch nicht zum ersten Mal in dieser Session bat man mich, das neue dunkelblaue Sakko zu öffnen und den nur noch rudimentär vorhandenen Bauch zu präsentieren. Blitzlicht – Klick! Und ab auf die Bühne.
Der letzte Auftritt an Weiberfastnacht ist traditionell in der »Lachenden Kölnarena«. Zehntausend Menschen feiern an elf Abenden die größte Karnevalsparty des Rheinlands. In der »Lachenden Kölnarena« dürfen die Gäste ihr Essen und Trinken selber mitbringen. Da werden fässerweise Bier und Babywannen voll Kartoffelsalat oder Frikadellen in die Halle getragen. Es ist bestimmt nur noch eine Frage der Zeit, bis in der Arena an Karneval gegrillt wird. Es ist jeden Abend eine super Party, aber an Weiberfastnacht ist die Stimmung noch ausgelassener. Die Leute tobten, der Applaus war atemberaubend, als ich die Bühne verließ. Ich gebe gerne zu, ich schwebte von der Bühne.
Jürgen und ich waren um zehn Uhr morgens zu Hause losgefahren. Nun saßen wir dreizehn Stunden und acht Auftritte später wieder im Auto. Ich war hundemüde und sehr zufrieden. Wir fuhren über die Deutzer Brücke. Ich glaube, es war auf der Nord-Süd-Fahrt, als ich den »Express«-Automaten am Straßenrand sah. Oben sind der Schlitz für die 60 Cent und die Klappe, der man die Zeitung entnehmen kann, und unten hängt immer das Plakat mit der aktuellen Schlagzeile. Ich las sie, und ich traute meinen Augen nicht. Da stand: 20 Kilo weg! Stelters Schwur: Nie wieder dick!
»Jürgen, halt mal an der Tankstelle!«
Jürgen antwortete: »Ich habe es auch schon gesehen.«
An der Aral-Tanke am Verteilerkreis drückte ich dem Tankwart das Geld in die Hand, und er drückte seine Bewunderung aus: »Super! Herzlichen Glückwunsch! Zwanzig Kilo.«
Auf der Titelseite prangten nur mein Bild mit weit offener Jacke und die riesige Schlagzeile: 20 Kilo weg!
Ich war euphorisch. Ich war stolz. Ich war auf der Titelseite vom »Express«! Meine Fantasie ging mit mir durch: Wenn ich es durch Sport und Diät innerhalb eines Jahres mit offener Jacke auf die Titelseite vom »Express« geschafft hatte, dann könnte ich es demnächst vielleicht sogar mit offenem Hemd auf Seite drei bringen. Oder zumindest auf das Cover von »Men’s Health« oder »Fit for Fun«. Ich sah mich schon spärlich bekleidet von jeder Litfasssäule in Köln lächeln – als neues H& M-Model!
In solchen Momenten braucht man Freunde, die aufpassen, dass man auf dem Teppich bleibt. Jürgen betrachtete die Titelseite und sagte: »Anscheinend war in Köln heute echt nix los.«
Danke auch!
Wette gewonnen
Anne und ich saßen beim Frühstück, meine Zeitungstrophäe lag auf dem Tisch.
Anne fragte: »Sind das bei dir jetzt wirklich zwanzig Kilo?«
Ich antwortete: »Nein, es sind neunzehn. Das habe ich der Reporterin auch gesagt.«
»Und warum schreiben die zwanzig?«
»Das ist wahrscheinlich der Boulevardjournalismus-Zuschlag.«
Ich mümmelte zufrieden an meinem Körnerbrötchen und wunderte mich über die plötzlich entstandene Gesprächspause. Es konnte nur einen Grund dafür geben, und ich war ihm auf der Spur. »Wie viel hast du jetzt runter?«
»Zwei Kilo. Den Boulevardjournalismus-Zuschlag schon eingerechnet. Also quasi nix!«
Es gibt Sachen, die macht Anne nicht gerne. Zugeben, dass sie unrecht hat, steht auf dieser Liste ganz oben. Ich erinnerte sie dezent an unsere Wette und zitierte sie: »Ich beweise dir, dass das auch ohne Sport geht.«
»Ja ja, ich weiß. Aber es geht nicht! Weißt du, mein Körper kriegt langsam Probleme mit der Schwerkraft. Irgendwann schwenkt der die weiße Fahne. Wenn ich nicht aufpasse, sehen meine Oberschenkel aus wie nach einem mittelschweren Hagelschaden. Und ganz blöd ist’s hier, an den Oberarmen. Unten. Ich habe dieses sündhaft teure ärmellose Sommerkleid, und ich ziehe es nicht mehr an, weil das eben gar nicht sexy aussieht. Das sind Chicken Wings! Flügel des Grauens!«
»Ach komm!«
»Versuch gar nicht erst, mich zu beruhigen!«
»Du denkst tatsächlich über Sport nach?«
»Ich hab neulich im Fernsehen einen Bericht gesehen. Zwei Frauen wollten abnehmen. Die eine wollte eher ruhigen Sport, keine Gewichte stemmen und nicht laufen. Die andere wollte powern, an ihre Grenzen gehen. Dann bekamen beide eine Personal Trainerin. Die Trainerin von der ersten hat Pilates mit ihr gemacht und Nordic Walking. Die andere hat eine Kombination aus Kraft- und
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