Wer abnimmt, hat mehr Platz im Leben
Januar putzte ich mir die Zähne, ich duschte, trocknete mich penibel ab. (Jeder Wassertropfen hat ein Eigengewicht.) Ich föhnte mir das Haar staubtrocken, dann trat ich auf die Waage – und wenige Sekunden später mit Becker-Faust und Triumphgeheul wieder hinunter: 113 , 3 kg. Ich hatte mittlerweile siebzehn Komma zwei Kilo abgenommen. Und für das neue Jahr hatte ich mir noch allerhand vorgenommen.
Karneval
Die Karnevalssession ist für mich natürlich eine arbeitsreiche Zeit. Ich habe über hundertfünfzig Auftritte zwischen Anfang Januar und Rosenmontag.
Im Karneval stehe ich super gerne auf der Bühne, und in diesem Jahr noch lieber. Der Schneider pfiff durch die Zähne, als der neue Anzug den letzten Rest von Bauch perfekt kaschierte, ich schaute in den Spiegel und war sehr angetan. Verdammt gute Arbeit, nur schade, dass man das schöne rosa gepunktete Futter von außen nicht sah.
Im Karneval ist jeder Auftritt anders. Mal sitzen sechshundert Männer in einer Turnhalle in Köln-Zollstock, mal zwölfhundert Frauen bei einer Mädchensitzung im Gürzenich. In der Beethovenhalle in Bonn warten zweitausend Menschen in Smoking und Abendkleid, im Pfarrsaal der Gemeinde St. Bruno dreihundert bunt kostümierte Jecken. Trotzdem bedeutet jeder Saal für mich die gleiche Herausforderung. Am Ende muss ich das Publikum »kriegen«.
Ich komme aus der Kälte in einen warmen Saal, bin auf der Bühne nass geschwitzt, und draußen herrschen dann wieder Minusgrade. Eigentlich ist es kein Wunder, dass ich mir jedes Jahr eine perfekte Erkältung fange, woraufhin die Oberfläche meiner Stimmbänder sich in kürzester Zeit wie Brokkoli anfühlt oder wie ein zu heiß gewaschenes Noppenkondom, suchen Sie sich das Passende aus. Dann geht es mir wie dem gemeinen Wähler. Ich muss meine Stimme abgeben. Die brauche ich aber, und wie kriege ich sie zurück?
Da gibt es verschiedene Ratschläge, verschiedene Hausmittelchen, verschiedene leichte Medikamente, aber wenn ich ehrlich bin, eigentlich hilft nur das Hammerzeug, dass man im Zoo dem Elefanten gibt, wenn er nicht mehr tröten kann.
In diesem neuen Jahr 2009 hielt die Stimme die ganze Session über. Ab und zu lutschte ich ein Salbeibonbon, aber die Stimmbänder machten mit. Ich war einfach fitter als sonst. Das Einzige, was in dieser Session bei mir hustete, waren die Regenwürmer.
Aufgrund meines Kreuze-Kringel-Kalenders hatte ich einen moderaten Genussmittelkonsum, und ich befriedigte weiterhin mein Bedürfnis nach Sport, wenn auch häufiger als sonst im Fitnessstudio. Ich hatte Angst, ich könnte mir beim Laufen in der kalten Natur doch noch eine Erkältung fangen.
An Weiberfastnacht gibt es eine riesige Open-Air-Party auf dem Kölner Heumarkt. Dreißigtausend Menschen feiern den Beginn des Straßenkarnevals. Ich weiß, das ist ein Phänomen, das man außerhalb des Rheinlandes nur schwer versteht, aber ich möchte Ihnen Mut machen. Kommen Sie einmal zum Straßenkarneval nach Köln. Setzen Sie sich in ihr Auto, und beachten sie eins: Halten Sie am letzten Parkplatz vor Köln an, steigen Sie aus, knien Sie sich neben Ihr Fahrzeug, schauen Sie nach oben, und beten Sie: »Lieber Gott, gib, dass ich alles vergesse, was ich jemals über menschliches Zusammenleben gewusst habe.« Dann fahren Sie weiter, stellen Sie Ihr Auto sicher in irgendeiner Hoteltiefgarage ab, trinken Sie an irgendeiner Theke zwei frische Kölsch vom Fass, und dann schmeißen Sie sich einfach ins Getümmel. Sie werden es genießen, sie werden fünf Tage später vielleicht ein bisschen verkatert sein, aber durchaus erholt und zufrieden den Heimweg antreten können. Eine Fahrt zum Karneval nach Köln ist im Prinzip wie eine Wallfahrt nach Lourdes – nur mit viel mehr Spaß!
Sie werden lachen, und Lachen ist gesund, sagt nicht nur der Volksmund. Das wird Ihnen jeder Mediziner bestätigen können. Lachen stärkt den Kreislauf und die Durchblutung. Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass Karneval in der Lage ist, psychosomatische Erkrankungen nicht nur zu lindern, sondern sogar zu heilen. Ich finde, es sollte Karneval auf Krankenschein geben.
Hinter der Bühne der großen Weiberfastnachtsparty auf dem Heumarkt standen jede Menge Künstler, die Bläck Fööss stimmten ihre Instrumente, Guido Cantz unterhielt sich mit den Höhnern, eine Reporterin vom »Kölner Express« stellte mir – nicht zum ersten Mal in dieser Session – die Frage, ob ich denn noch weiter abgenommen hätte. Ich
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