Wer Andern Eine Grube Gräbt: Mitchell& Markbys Fünfter Fall
essen.« Ursula machte sich an dem Butangaskocher zu schaffen.
»Kann ich dir helfen?«
»Nicht wirklich, nein. Irgendwo müsste noch ein kleines Radio herumstehen, aber der Empfang hier draußen ist alles andere als gut. Du hast gesagt, du hättest dich mit deinem Freund von der Polizei unterhalten?«
»Ich wünschte wirklich, du würdest das Wort Freund nicht so betonen. Er ist wirklich nicht mehr als ein Freund. Ich sehe ihn nicht einmal besonders oft!« Meredith bereute noch im gleichen Augenblick, dass sie Ursula so angefaucht hatte, doch es war ein ständiges Problem, dass die Menschen ihre Beziehung zu Alan falsch interpretierten. Wahrscheinlich lag es daran, dass es weder ihm noch ihr bisher gelungen war herauszufinden, wie sie eigentlich genau zueinander standen oder wohin es führen würde – falls es überhaupt irgendwohin führte. Meredith kletterte auf eine der Pritschen und umschlang die Knie mit den Armen.
»Alan war nicht sehr nachsichtig, fürchte ich. Er glaubt, Natalie wird schon von allein wieder auftauchen – wenn sie bereit dazu ist und ausgeschmollt hat. Außerdem ist er nicht zuständig. Seiner Meinung nach handelt es sich um einen gewöhnlichen häuslichen Streit, weiter nichts. Niemand hat Natalie offiziell als vermisst gemeldet. Mrs. Salter wäre wahrscheinlich sofort zu ihm auf die Polizeistation von Bamford gekommen, wenn sie nicht wüsste, wo ihre Tochter steckt, doch das ist nicht geschehen. Dan macht auch keinen besorgten Eindruck auf mich. Ich weiß, dass du dir Gedanken machst, Ursula, aber ich muss sagen, nachdem ich mit Alan gesprochen habe …«
»Du glaubst, ich bilde mir alles nur ein? Kann ich dir nicht einmal verdenken. Wie wär’s mit Tomatensuppe?« Ursula hielt eine Dose hoch.
»Ich sage mir ja selbst immer wieder, dass ich mir alles nur einbilde. Aber die Atmosphäre wird immer gespannter! Alle fragen sich, was los ist. Vielleicht ist es dir heute Abend nicht aufgefallen, aber morgen ganz bestimmt. Niemand fragt Dan noch nach Natalie. Niemand möchte das Thema zur Sprache bringen.«
»Erzähl mir von Karen.« Mit dem Dosenöffner in der Hand blickte Ursula überrascht auf.
»Wieso Karen?«
»Sie scheint so schüchtern zu sein. Sie hat mir erzählt, dass Jackson sie von der Grabung weggeschickt hätte, damit sie kein Unheil anrichten kann, und dass sie jetzt den ganzen Tag im Wagen sitzen und Scherben waschen und beschriften muss. Sie schien sehr von Dan angetan zu sein.«
»Pah!«, sagte Ursula grob.
»Sie ist verknallt in ihn! Sie tut mir leid. Vor allem, weil sie eigentlich gar nicht dumm ist. Sie hat ein brillantes Zeugnis und ihren Magister an einer amerikanischen Universität erworben. Dort hat sie auch Renee kennen gelernt, und sie haben beschlossen, gemeinsam nach England zu fahren, um dort im Sommer praktische Erfahrungen zu sammeln. Der Ellsworth Trust war hocherfreut, die beiden anzunehmen. Aber Karen scheint an jeder Hand fünf Daumen zu haben! Ian hat ein wenig die Geduld mit ihr verloren.«
»Aber er scheint zu glauben, dass sie hier drin vernünftige Arbeit leistet?« Meredith deutete auf den mit Tonscherben überladenen Tapeziertisch.
»Wenn sie nicht den ganzen Tisch umwirft, was durchaus möglich ist, ja. Oh verdammt, das ist doch ein Dosenöffner! Was ist nur los mit diesem Ding?« Sie verdoppelte ihre Anstrengungen und ächzte dabei:
»Ich denke, Ian macht alles nur noch schlimmer. Er beobachtet Karen wie ein Geier, als würde er nur auf einen Fehler warten, und wenn es dann kommt, wie es kommen muss, stürzt er sich vor aller Augen auf sie. Ich hab ihm schon mehr als einmal gesagt, dass er das nicht tun soll, aber Ian ist vollkommen von dieser Grabung in Anspruch genommen. Er hat nur noch Wulfric in seinem Schädel. Ich glaube, wenn er sich ein wenig entspannen könnte, wenn wir alle Karen ein wenig mehr Vertrauen entgegenbringen könnten und wenn die allgemeine Stimmung nicht so angespannt wäre wegen der Hippies und der Sache mit Natalie, dann würde sich Karen gar nicht so ungeschickt anstellen. Sie ist sehr sensibel.«
»Und besorgt wegen Dan?«
»Wahrscheinlich auch das.« Ursula runzelte die Stirn.
»Ich hoffe nur, sie lässt sich nicht mit ihm ein. Ich meine, wenn er mich gehen lässt und sich nach einer anderen Schulter umsieht, an der er sich ausweinen kann. Sie würde nicht mit ihm fertig werden. Dan ist nicht leicht, und Karen hat nicht genug … du weißt schon, sie hat einfach nicht genügend Erfahrung mit Männern. Ich
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