Wer Andern Eine Grube Gräbt: Mitchell& Markbys Fünfter Fall
dunklere Schatten auf dem dunklen Grund. Das Grab mit dem Skelett war nicht mehr zu erkennen. Meredith schluckte schwer und bemühte sich, gegen ihre abergläubischen Ängste anzukämpfen.
»Besucher!«, sagte sie in der Hoffnung, dass ihre Stimme keinen schrillen Unterton besaß.
»Ich lasse sie rein.«
»Wir sind aus dem Lager. Wir möchten mit Ihnen reden, im Namen von uns allen«, sagte eine Stimme in der Dunkelheit, als Meredith die Tür öffnete. Die Schemen verwandelten sich in beruhigendes Fleisch und Blut, doch die Worte klangen geheimnisvoll. Der Anhänger schaukelte und wankte unter dem zusätzlichen Gewicht, als die beiden Besucher die Stufe hinaufstiegen. Zunächst trat ein Mann ein. Er trug einen alten ShetlandPullover und Kordhosen. Dann betrat eine Frau den Wagen. Sie trug einen langen Rock mit schmutzverkrustetem Saum und, wie Meredith amüsiert feststellte, schwere Männerstiefel. Beide besaßen schulterlanges, fließendes Haar, das der Mann unter einem Hut zusammenhielt. Er besaß außerdem einen struppigen Bart. Sie umrundeten vorsichtig einen roten Fußabdruck auf dem Boden, doch keiner von beiden stellte Fragen. Sie wirkten ein wenig bestürzt, als Ursula vortrat, um sie mit rot verschmierten Händen zu begrüßen.
»Ach, Sie sind es, Pete und Anna! Setzen Sie sich. Tut uns leid wegen des Durcheinanders.«
»Haben Sie sich geschnitten?«, fragte die Frau mit harscher Stimme.
»Wir haben einen Erste-Hilfe-Kasten in unserem Bus.« Ursula erklärte, was geschehen war, und die beiden Besucher setzten sich Seite an Seite auf eine der Pritschen, um dann einen kritischen Blick auf Meredith zu werfen. Ihren Kleidern haftete ein deutlicher Geruch nach Rauch an, der schnell die Luft im Wagen durchdrang und den Duft nach Tomatensuppe überdeckte. Die Frau sah sehr selbstsicher und ein wenig aggressiv aus. Der Mann wirkte zurückhaltender.
»Nett, Sie kennen zu lernen«, sagte Meredith, die nicht genau wusste, was von ihr erwartet wurde. Die Frau antwortete mit ihrer überraschend lauten, deutlich artikulierten Stimme.
»Wir wollten nachsehen, ob hier bei Ihnen alles in Ordnung ist. Außerdem haben unsere Leute miteinander gesprochen, und wir möchten etwas klarstellen.« Sie wechselten einen Blick, und der Mann, Pete, führte die Unterhaltung fort.
»Wir wissen Ihre Arbeit zu schätzen, und wir werden Sie nicht stören oder irgendetwas beschädigen. Wir wissen, dass Joe vorhin hier war, aber er meint es nicht böse. Er würde nichts anfassen. Er weiß Bescheid.«
»Wirklich?«, fragte Ursula skeptisch.
»Wir mischen uns nicht in das Leben anderer Leute ein!«, fauchte Anna mit ihrer lauten Stimme.
»Wir bitten lediglich darum, dass sich auch niemand in unser Leben einmischt. Joe kennt die Regeln. Aber wir möchten, dass Sie das ebenfalls beherzigen.«
»Ist er schon lange bei Ihrer Karawane?«, erkundigte sich Meredith. Die beiden Besucher wechselten erneut Blicke.
»Noch nicht lange«, antwortete Pete.
»Woher kommt er?« Doch sie hatte zu viele Fragen gestellt. Sie sah, wie die Gesichter der beiden hart wurden.
»Wir fragen nicht danach, woher jemand kommt«, sagte Anna barsch.
»Es spielt keine Rolle, woher jemand kommt«, fügte Pete hinzu.
»Oder wohin er geht. Das ist nicht der Sinn des Lebens. Wir leben in Eintracht mit Mutter Erde. Unser Leben richtet sich nach ihren Jahreszeiten.« Meredith spürte, dass es zwecklos wäre, sich in eine Diskussion über den Sinn des Lebens einzulassen – oder den Anteil, den Mutter Erde daran hatte. Sie blickte hilfesuchend zu Ursula.
»Möchten Sie vielleicht zum Abendessen bleiben?«, durchbrach Ursula das betretene Schweigen.
»Wir haben noch mehr Suppendosen, und die nächste verteile ich bestimmt nicht im Wagen. Sie wären uns willkommen.« Vielleicht fassten sie es als Wink auf zu verschwinden, oder vielleicht wollten sie einfach nicht bleiben. Möglicherweise hatten sie auch das Vertrauen in Ursulas kulinarische Fähigkeiten verloren. Jedenfalls erhoben sich beide und redeten unisono.
»Nein, danke. Wir müssen wieder zurück.« An der Tür wandte sich Pete noch einmal um.
»Sie müssen sich wirklich keine Gedanken machen wegen Joe«, wiederholte er.
»Fallen Sie nicht in die Gräben«, warnte Ursula.
»Sie könnten sich etwas brechen.« Die beiden murmelten nur
»Gute Nacht«, dann waren sie verschwunden.
»Nun«, sagte Meredith.
»Das war ein äußerst zivilisierter Appell, friedlich zu bleiben.« Ursula biss sich auf die
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