Wer bist du, schöne Juno
um Helen gehe. Mit diesem leidenschaftlichen Eingeständnis hatte er sich in eine Falle manövriert. Aber endlich durchschaute er alles.
Damian mußte natürlich der Kopf gewaschen werden, doch erst mußte er selbst Helen aus der Tinte ziehen, in die sie sich dank ihrer Neigung zur Selbstlosigkeit gesetzt hatte. Jetzt begriff er, warum sie sich beharrlich geweigert hatte, ihn zu heiraten. Sie hatte beschlossen, ihn zu retten, und nichts, was von ihm vorgebracht worden war, hatte sie umzustimmen vermocht. Das war erfreulich, wenngleich es sich als frustrierend herausgestellt hatte.
Martin blieb vor dem Kamin stehen. Zweifellos hatten seine Schwärmereien, Eremitage und das Stadtpalais zu restaurieren, ihren Teil beigetragen. Er hatte sich alle Mühe gegeben, Helen an seinen Träumen teilhaben und sie sehen zu lassen, daß sie Teil seines Leben sein sollte. Hatte sie nicht erkennen können, daß ohne sie seine Träume nicht vollständig waren? Daß sie zu ihm gehörte, hierher, in dieses Haus, vor diesen Kamin? Wie hatte sie glauben können, daß ihm ein Haus wichtiger sei als sie, wichtiger als ihre Liebe? Es war eindeutig, daß die schöne Juno hinsichtlich des weshalb und warum einer Liebesheirat intensiver Belehrungen bedurfte.
Er schaute auf und bemerkte, daß die Mutter die grauen Augen auf ihn gerichtet hatte und ihn mit offenkundiger Besorgnis betrachtete. Er lächelte, zum ersten Male an diesem Tag. Er ging zu ihr und drehte den Rollstuhl vom Feuer weg.
„Danke für diese Informationen, Mama. Ich bringe dich jetzt nach oben.“
„Und dann?“ Catherine wandte den Kopf, um den Sohn anschauen zu können.
„Und dann gehe ich zunächst einmal ins Bett. Beim ersten Morgenlicht jedoch reise ich nach Cornwall.“
„Cornwall?“
„Cornwall. Ich muß eine Göttin vor einem Schicksal bewahren, das schlimmer wäre als der Tod.“
Fragend schaute Catherine den Sohn an.
„Ich meine, mit einem Geck mit zweifelhaften Neigungen verheiratet zu sein“, fügte er erklärend hinzu.
12. KAPITEL
Nebelfetzen trieben an den Butzenscheiben des Fensters von Helens Schlafzimmer vorbei. Sie stand davor und bürstete sich lustlos das Haar. Die bedrückende Stimmung des frühen Morgens entsprach der ihren. Wenn sie nur ein wenig Verstand hätte, wäre sie im Bett geblieben. Doch sie konnte nicht schlafen. Es hatte keinen Sinn gehabt, liegenzubleiben und sich vorzustellen, was hätte sein können. Und zu versuchen, die Zukunft zu verdrängen.
Es gab kein Entrinnen. Durch ihre Entscheidung waren die Würfel gefallen. Nun mußte sie den Preis zahlen. Sie hatte jedoch nicht damit gerechnet, daß ihr die Rechnung so schnell präsentiert werden würde.
Hedley Swayne hatte sich eine Sonderlizenz besorgt. Er war ein Bündel von Widersprüchen, jedoch offensichtlich imstande, alles gut im Griff zu haben, wenn er genügend auf Trab gebracht wurde.
Und gestern war er ganz gewiß auf Trab gebracht worden.
Helen biß sich auf die Unterlippe und starrte leeren Blicks in die Düsternis. Nachdem der Earl of Merton verschwunden war, hatte sie sich einen ihrer seltenen Tränenausbrüche gegönnt und, wie es ihr vorkam, stundenlang geweint. Die Zofe war zurückgekommen, hatte sie wie ein Kind in den Armen gewiegt und sie mit herzlichen Worten getröstet, bis sie schließlich benommen genug gewesen war und zu schluchzen aufgehört hatte.
Erst dann hatte sie gemerkt, daß Mr. Swayne noch da war. Nachdem er ihr erklärt hatte, welche Arrangements er getroffen hatte, war ihr bewußt geworden, daß er zwischenzeitlich gegangen war. Aber er war zurückgekommen und hatte ihr von der Hochzeit erzählt.
Am nächsten Tag.
Heute.
An diesem Vormittag, genauer gesagt.
Tief seufzend setzte sie sich lustlos auf die Fensterbank. Sie hatte eine halbe Stunde damit verbracht, mit Mr. Swayne darüber zu argumentieren. Worüber, konnte sie sich jetzt nicht mehr erinnern.
Martin war fort. Es spielte wirklich keine Rolle, wann sie Mr. Swayne heiratete. Im Gegenteil, für ihren Seelenfrieden war es, wie er gesagt hatte, besser, wenn es baldigst geschah. Sobald der Bund geschlossen war, befand Martin sich für immer in Sicherheit.
Wieder seufzte Helen. Sie brachte kaum die Energie auf, sich auf den Beinen zu halten, geschweige denn zum Nachdenken. Denken war zu peinigend. Wenn sie zuließ, daß die Gedanken abschweiften, dann zeigten sie im Vergleich mit der erschütternden Aussicht, Hedley Swaynes Gattin zu werden, eine schreckliche Tendenz, bei den
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