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Wer Blut vergießt

Wer Blut vergießt

Titel: Wer Blut vergießt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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aussieht«, meinte Hart schmunzelnd. »Aber die Beschreibung sagt mir nichts. Ich war schon länger nicht mehr im Stag, aber bei dem Wirt dort kann ich auch kurzfristig Auftritte für Bands buchen, und ich wollte mir den Gitarristen ansehen, bevor ich ihn ins Studio hole.«
    »Machen Sie das immer so?«, fragte Kincaid.
    »Nein, obwohl ich auch sonst meine Sessionmusiker gerne erst einmal live höre, bevor ich mit ihnen arbeite. Aber diese ganze Geschichte ist erst in allerletzter Minute zustande gekommen. Ich hatte das Studio für Poppy gebucht, aber sie hatte in der Woche zuvor einen Open-Mic-Auftritt im Troubadour. Tam war dort, und er erzählte mir, er habe einen Gitarristen, der seiner Meinung nach hervorragend zu ihr passen würde.«
    »Aber Sie haben sich nicht auf Tams Urteil verlassen? Er sagte mir, Sie seien schon sehr lange befreundet.«
    Hart wand sich ein wenig. »Es ist nicht so, dass ich seinem Urteil nicht vertraue. Aber Poppy ist … etwas ganz Besonderes. Sie ist noch so jung, und ich fühle mich ein bisschen verantwortlich für sie. Poppys Vater ist ein alter Freund von mir – und er ist Pfarrer. Ich weiß, dass ich sie nicht von allem abschirmen kann, aber ich will sie unbedingt von der Drogen- und Alkoholszene fernhalten, soweit mir das möglich ist. Nicht, dass ich glaubte, Poppy hätte besonderen Schutz nötig«, fügte er mit leicht bedauerndem Ton hinzu. »Sie weiß genau, was sie will, und sie ist eine der leidenschaftlichsten und engagiertesten Musikerinnen, mit denen ich je gearbeitet habe. Trotzdem – was da letzten Samstag im Studio passiert ist, das hätte ich nie und nimmer für möglich gehalten.«
    Kincaid wartete; er wusste, dass Schweigen oft mehr bewirkte als eine direkte Frage, und nach einer Weile fuhr Hart fort: »In dieser Branche ist einem so etwas vielleicht ein- oder zweimal im Leben vergönnt, wenn man sehr viel Glück hat. Sie sind beide ausnehmend gute Musiker. Aber zusammen sind sie mehr als das. Größer als die Summe der Teile. Einmalig.«
    »Sie meinen, so wie Lennon und McCartney?«
    »O Gott.« Hart lachte. »Niemand wagt es, solche Vergleiche anzustellen. Aber bei den beiden stimmt einfach die Chemie.«
    »Hatten Sie von Anfang an vor, sie zu filmen?«, fragte Kincaid. Er war jetzt ehrlich neugierig.
    »Nein. Erst nach der Hälfte der ersten improvisierten Jam-Session. Und dann wusste ich, dass ich es besser festhalten sollte, solange es ging. Sie werden technisch perfekter werden, aber diese pure Freude an der Entdeckung, die sie an diesem Tag ausstrahlten, wird nie wieder dieselbe sein.«
    »Hat Tam recht?« Kincaid merkte, wie Harts Begeisterung ihn ansteckte. »Könnte das wirklich eine ganz große Sache werden?«
    »Es ist eine launische Branche«, sagte Hart und trommelte dabei mit den Fingern auf sein Knie. Kincaid sah Nikotinflecken an seinem Daumen und Zeigefinger, doch ihm war kein Tabakgeruch aufgefallen. »Man kann nur seinem Instinkt vertrauen und die Chancen ergreifen, die sich einem bieten«, fuhr Hart fort. Sein Handy signalisierte mit einem Ping den Eingang einer SMS , und er zog es aus der Jackentasche. »Und genau das sollte ich auch tun …«
    Kincaid stand auf und gab Hart die Hand, als dieser sich ebenfalls erhob. »Ich habe schon genug von Ihrer Zeit in Anspruch genommen. Ich wünsche Ihnen allen viel Glück.
    Ach, Mr Hart.« An der Tür drehte Kincaid sich noch einmal um. Hart beantwortete schon die SMS . »Tam sagte, Sie seien vor dem Ende des ersten Sets gegangen. Wieso hatten Sie es so eilig, wo Sie doch eigens für diesen Abend die Band gebucht hatten?«
    »Ich hatte ein Meeting«, antwortete Hart leichthin. »Und meine Meetings lasse ich niemals ausfallen, auch nicht für die Arbeit. Ich bin Alkoholiker, Mr Kincaid.«
    Als Melody das Pub verließ und über den Cleaver Square zum Haus zurückging, fuhr der Leichenwagen gerade davon, und Rashids Auto war schon weg. Gemma stand am Straßenrand, ins Gespräch mit Maura Bell vertieft. Während Melody drinnen gewesen war, hatte der Himmel sich wieder stahlgrau verfärbt, und Bell hatte den Kragen ihres Burberry-Mantels hochgeklappt, um sich vor den feuchtkalten Böen zu schützen. Sie sah aus wie eine Spionin aus dem Kalten Krieg – was ihr gar nicht mal so schlecht stand, fand Melody.
    Melody hatte sich vom Barkeeper ein paar Sandwichs für sich und Gemma einpacken lassen, um sie nebenher zu essen, aber an Maura hatte sie nicht gedacht. Jetzt blieb sie abrupt stehen und ließ die Tüte

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