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Wer den Tod begruesst

Wer den Tod begruesst

Titel: Wer den Tod begruesst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cindy Gerard
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haben Sie mich nicht unterbrochen?«
    Sie hatte sich längst auf das Deck gesetzt und die Beine unter ihre Hüfte gezogen. »Weil ich zuhören wollte. Und weil Sie reden mussten.«
    Ja, wurde ihm klar. Ja, das musste er.
    Und dennoch hatte er ihr nicht die ganze Geschichte erzählt. Er hatte ihr nichts von Will erzählt. Dem Mann, den er im Stich gelassen hatte. Und dem Grund, warum er um keinen Preis der Welt sie nicht auch noch im Stich lassen würde.
    Er stand auf, steif vom langen Sitzen, und streckte ihr die Hand hin. »Kommen Sie. Sie müssen völlig erschlagen sein. Sie duschen zuerst. Ich suche Ihnen ein T-Shirt für die Nacht heraus.«
    Sie ergriff die angebotene Hand. Wie er hatte sie zu lange auf einer Stelle gesessen. Sie verlor das Gleichgewicht und taumelte gegen ihn.
    Er fing sie auf, umfasste ihre Schultern, um sie im Gleichgewicht zu halten. Lange standen sie einfach nur so da. Ihre Augen glitzerten im Mondlicht. Er wollte sie an sich reißen, ihre kühle Haut spüren, ihren weichen Körper spüren und einfach in ihr versinken.
    Aber weil er alles darstellte, was sie nicht gebrauchen konnte, zwang er sich zurückzutreten.
    Das einzige Licht waren zwar das Mondlicht und ein kleiner Lichtstrahl aus der Kajüte, trotzdem konnte er den Blick in ihren Augen richtig lesen.
    Enttäuschung.
    Himmel. Musste denn jeder verdammte Augenblick eine Prüfung sein? Hatte er nicht genug gedient und verteidigt? Musste er hier auch noch Wache halten und sie sogar … vor ihm schützen, wenn sie nicht genug Verstand hatte, sich selbst vor ihm zu schützen?
    Ja. Musste er, weil sie heute Abend ganz sicher nicht dazu in der Lage war. Sie hatte zu viel durchgemacht. Ihre Abwehrkräfte mussten total geschwächt sein, wenn sie ausgerechnet bei ihm nach solchem Trost suchte.
    »Kommen Sie«, sagte er mit müder Stimme. »Was Sie brauchen, ist Schlaf.«
    Und ein Schloss vor ihrer Kabine.
    Es war kurz nach drei morgens. Die EDEN, behaglich eingebettet an ihrem ruhigen Wasserliegeplatz, bewegte sich gerade genug, um Jillian vorübergehend ein wenig einzulullen. Das entfernte Quietschen und Ächzen des Holzes vermischte sich mit dem Geräusch des Wassers und der Stille, forderte sie auf einzuschlafen.
    Wenn sie es doch nur könnte.
    Die Schlafkoje war weich und geräumig, und die Laken rochen nach frischer Luft und Meeresbrise. Die Backbord-Kajüte war kleiner als die auf der Steuerbordseite, und während Nolan darauf bestanden hatte, dass sie die größere nahm, hatte sie darauf bestanden, dass er die größere brauchte. Sie konnte auch stur sein.
    Nachdem sie kurz geduscht und sich ein T-Shirt in Übergröße angezogen hatte, das ihr bis zu den Knien reichte und genauso wie die Laken und wie er roch, hatte sie sich in die kleinere Kajüte zurückgezogen und ehrlich versucht einzuschlafen.
    Aber sie konnte hören, wie er sich leise bewegte in der Kajüte. Sie hörte, wie die Pumpe ansprang, als er eine Dusche nahm, und stellte ihn sich unter der Brause vor. Nichts als nasse, männliche Nacktheit. Nichts als dunkle, muskulöse Perfektion bis auf die Narben, die er auf seinem Körper trug … und auf seiner Seele.
    Er hatte ihr einige davon enthüllt in dieser Nacht. Und anstatt zu schlafen, lag sie da und dachte darüber nach, was es ihn gekostet haben mochte, sich ihr in dieser Weise zu öffnen. Sie dachte daran, wie es sich angefühlt hatte, von ihm geküsst zu werden, und wie wundervoll es war, ihn an sich gepresst zu fühlen auf der Tanzfläche. Wie er im Mondlicht ausgesehen hatte, als er aus der Reserve gekommen war, und wie wehmütig er ausgesehen hatte, als er über seine Familie sprach. Wie dasselbe Gesicht sich verhärtet hatte vor Elend und Kummer, als er ihr vom Krieg und Tod und all den Dingen erzählt hatte, die das Leben eines Soldaten mit sich brachte.
    Als es still wurde auf dem Boot und sie wusste, dass er endlich in seiner Koje war, fragte sie sich, ob er ebenfalls im Dunkeln lag und an all die Dinge dachte, die er ihr erzählt hatte. Und an all die Dinge, die er ihr nicht erzählt hatte.
    Er hatte ihr erzählt, dass er sich über den Geisteszustand einer Nation wunderte, die ein so schreckliches Ereignis wie der Ii. September zu neuem Patriotismus inspirierte, wo doch Patriotismus schon beinahe von Selbstzufriedenheit verdrängt worden war. Er hatte ihr nicht erzählt, dass er mit zweiunddreißig lebensmüde war, dass er die Ranger mitten in einer Art Überzeugungskrise verlassen hatte. Dass er ein Mann auf

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