Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer den Tod begruesst

Wer den Tod begruesst

Titel: Wer den Tod begruesst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cindy Gerard
Vom Netzwerk:
der Suche nach seinem richtigen Platz war. Dass er so verletzlich war, wie sie in der ersten Nacht vermutet hatte, als er blutend in ihrer Küche stand.
    Nein, mit Worten hatte er ihr diese Dinge nicht gesagt, aber auf seine Weise schon. Sie hatte es in seinen Augen gesehen. In seiner Stimme gehört. In der Anspannung in seinem Hals, wenn er schluckte, sich dabei ertappte und das Thema wechselte.
    Wen hast du beschützt, Nolan? Wer, glaubtest du, hätte Schwierigkeiten damit gehabt, die Wahrheit zu hören? Du? Oder ich? Und genau in dem Moment, wo sie darüber nachdachte, verliebte sie sich in ihn.
    Sie starrte in die Nacht, wollte glauben, dass sie durch die Anspannung, die Gefahr, die Unsicherheit auf diesen Weg geführt worden war. Dass, wenn dies hier vorüber wäre, wenn es je vorüber sein sollte, sie wieder zu Verstand kommen und ihn als das sehen würde, was er war, und sich wundern würde, wie es zu diesem momentanen Aussetzer ihres Verstandes hatte kommen können.
    Das wollte sie glauben. Aber die Wahrheit war, dass es nur eine Gewissheit in diesem ganzen Durcheinander gab. Sie hatte sich in ihn verliebt. Vollkommen. Unwiderruflich. Einschließlich der Narben. Vor allem wegen der Narben.
    Wo blieb also das euphorische Gefühl, das, wie sie geglaubt hatte, das lebenserschütternde Fünf-Buchstaben-Wort begleiten würde? Wo blieb der Ausbruch von Freude? Wo blieb die Hochstimmung?
    Wie einige seiner Geheimnisse war alles verborgen. Unter der Tatsache, dass er höchstwahrscheinlich nicht das Gleiche empfand, und wenn doch, zu aufopfernd und stur wäre und behaupten würde, nicht der Richtige für sie zu sein. Und es lag verborgen unter der durchaus gegebenen Möglichkeit, dass sie den nächsten Morgen nicht erleben würde. Mehr als ein kurzer, mentaler Trip zurück zu ihrem Penthouse war nicht nötig, um sie daran zu erinnern.
    Aber mehr brauchte es auch nicht, um die Decken wegzureißen und sich aufzusetzen. Sie blickte durch die Dunkelheit zur Kajütentür und verspürte eine Art Drang. Ihr Herz klopfte heftig. Sie atmete schnell.
    Ihr Leben lang hatte sie versucht, alles richtig zu machen. Sie würde ihre Methode jetzt nicht ändern. Es war richtig, zu ihm zu gehen … egal, ob er sie bis zum Schluss davon zu überzeugen versuchen würde, dass es ein Fehler wäre.

20
    Es war tiefste Nacht. Nolan lag allein in seinem Bett. Erinnerte sich an etwas, was er vor einigen Jahren gelesen hatte – wahrscheinlich in einem Buch über Krieg und die Männer, die ihn führten.
    Je älter ein Mann wird, desto mehr stirbt er innerlich.
    Er hatte einige solcher Männer kennen gelernt, hatte sich damals geschworen, niemals einer von diesen Männern zu werden. Dennoch war er irgendwann einer von ihnen geworden. In tiefster Nacht, wenn der Himmel von Mörserfeuer erhellt wurde und die Leichen der irakischen Soldaten wie zerbrochene Puppen herumlagen im blutigen Wüstensand, bestand der einzige Weg, nicht verrückt zu werden, darin, sich völlig abzukapseln.
    Vor nicht einmal einer Stunde hatte er Jillian von einigen der Ereignisse erzählt, die ihn zu diesem Punkt gebracht hatten. Zu dem Punkt, dass er einer dieser Männer geworden war, die er nie hatte werden wollen.
    Unruhig schob er das Laken bis zur Taille hinunter. Eine sanfte Brise drang durch das offene Bullauge und kühlte seine nackte Haut. Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf und starrte in die Nacht. Afghanistan und der Irak und Will waren nötig gewesen, dass er sich emotional verschlossen hatte. Es war nötig gewesen, Sara auf der Intensivstation um ihr Leben kämpfen zu sehen und zu wissen, dass er nichts für sie tun konnte. Es war nötig gewesen, die Gesichter ihrer Jungs zu sehen – verloren, verwirrt – und sich hilflos und verantwortlich zu fühlen. Jahrelange Konditionierung und Hektoliter von Schnaps waren nötig gewesen, um ihn erfolgreich abstumpfen zu lassen.
    Innerlich abgestorben. Ja. Er hatte geglaubt, es endlich geschafft zu haben.
    Allerdings schien es so, dass er doch noch nicht ganz abgestorben war. Jillian Kincaid ließ es nicht zu.
    Du lieber Himmel. Wie hatte in weniger als einer Woche ein kleiner, dickköpfiger Rotschopf es nur geschafft, seine schützenden Schwielen abzukratzen, seinen Blutkreislauf wieder in Gang zu setzen und ihn zu zwingen, nicht nur Abgestumpftheit zu empfinden?
    Als er diesen Job übernommen hatte, fühlte er sich immun und gefühllos. Er glaubte, für Jillian Kincaid nur Verachtung empfinden zu können. Für

Weitere Kostenlose Bücher