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Wer den Tod begruesst

Wer den Tod begruesst

Titel: Wer den Tod begruesst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cindy Gerard
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Kleidung. Ihr Bett. Alles bis auf die Küche. Der einzige Raum, der Jillian nichts bedeutete.
    Persönlich.
    Smith mochte sie als Bedrohung seines persönlichen Freiraums betrachtet haben, mochte es abgelehnt haben, dass Jillian ihn besetzte, aber er hätte einfach verschwinden können, wenn er es wirklich gewollt hätte, statt ihre bohrenden Fragen zu ertragen. Warum sie umbringen?
    Nolan erinnerte sich plötzlich wieder an etwas, was ihn fast umhaute. An ein Datum – eines, das er auf Jillians Interview-Transkripts gesehen hatte, nämlich das Datum, an dem sie Smith zum ersten Mal interviewt hatte.
    Herrgott. Himmelherrgottnochmal.
    Das Datum lag einige Tage nach ihrer ersten Todesdrohung. Was bedeutete, dass Smith sie ihr nicht geschickt haben konnte.
    Während sein Herz wie ein Vorschlaghammer klopfte, schnappte er sich die Autoschlüssel von der Theke und rannte zu den Docks.
    »Smith will Sie sehen«, informierte Detective Laurens ihn, als er Nolan durch ein Labyrinth von Korridoren führte und dann dem Wächter zunickte, die Tür zu öffnen, die zu den Zellenblocks führte. »Warum, weiß ich nicht. Er hat kein Wort gesagt, seit wir ihn eingebuchtet haben. Machen Sie’s kurz, ja? Ich möchte nicht, dass uns irgendjemand einen Strick daraus dreht.«
    Nolan wartete quälend nüchtern in einem Interviewraum und fragte sich, was er sagen sollte, was er tun sollte, wenn er Smith endlich sähe. Schwere Körperverletzung und Totschlag gingen ihm durch den Kopf, aber das würde auch nichts ändern. Er wollte einige Antworten. Wenn er nur wüsste, welche Fragen er stellen sollte.
    Er blickte auf, als die Tür sich öffnete. Smith, der einen übergroßen Gefängnisoverall trug, trat ein. Er sah verloren und besiegt aus. Und Nolan wusste, dass es richtig gewesen war, hierher zu kommen.
    Dies war kein Mensch. Dies war die leere Hülle eines Menschen.
    Und das, wurde Nolan in dem Moment bewusst, war Teil dessen, was ihn die ganze Zeit beschäftigt hatte.
    Er erkannte etwas Verlorenes, wenn er es sah. Er verstand es; wenigstens glaubte er das bis zu dem Moment, wo er tief in die Augen von John Smith blickte.
    Dies war ein Mensch, der sich jenseits von allem befand. Ein Mensch, der keinerlei Kraft, dessen Leben keinerlei Sinn mehr hatte, dem jegliches Gefühl fehlte, das stark genug gewesen wäre, etwas so Gewalttätiges wie eine Todesdrohung hervorzubringen – geschweige denn, sie auszuführen.
    In ihm war nicht genug übrig geblieben, um die Art von Hass aufrechtzuerhalten, die zum Töten nötig war.
    »Das war nicht Ihre Idee, nicht wahr?«, fragte Nolan, dessen Puls auf Hochtouren lief, weil er wusste, er wusste es einfach, dass mehr hinter dieser Geschichte steckte.
    Smith hob langsam den Blick. Nolan sah, dass er ihn wiedererkannte, bevor Smith einen Punkt auf Nolans Brust fixierte. Und schwieg.
    »Wer hat Ihnen aufgetragen, sie zu verletzen?«
    Smith schluckte, blinzelte, dann blickte er Nolan an. »Sie hätte mich in Ruhe lassen sollen. Sie hätte nicht so viele Fragen stellen sollen.«
    Nolan bezwang das Bedürfnis, über den Tisch zu springen und dem Mann an die Gurgel zu gehen und so lange zu schütteln, bis er die Antworten aus ihm herausgebracht hätte. Was ihm selbstverständlich nichts bringen würde.
    »Sie haben eine schlimme Zeit hinter sich«, sagte er, um sich selbst und gleichzeitig Smith zu beruhigen. »Jillian wollte Ihnen helfen. Wollte jemanden finden, der Sie kennt. Familie … Freunde. Jemand, der Ihnen Ihre Identität zurückgeben konnte.«
    »Sie … sie hat mich …« Smith hielt inne, und als er ausatmete, schien es aus den Tiefen seiner leeren Seele zu kommen. »Sie hat mich dazu gebracht, mir das zu wünschen. Sich etwas zu wünschen … Sie verstehen das nicht. Sie können das nicht verstehen. Sich etwas zu wünschen ist zu schmerzhaft.«
    Aber Nolan verstand ihn. Er wünschte sich auch etwas. Er wünschte sich Jillian. Wünschte sie sich so sehr, dass es schrecklich wehtat. »Also beschlossen Sie, sie zu töten.«
    »Ich habe es nicht beschlossen. Es machte nur Sinn.«
    »Wer sagte, dass es Sinn machte?«
    Smith blickte wieder hoch, dann weg, dann schien er zu einer Entscheidung gekommen zu sein. »Mary.«
    Nolan hielt den Atem an. Mary. Der Name war halb andächtig, halb verabscheuend über Smith’ Lippen gekommen.
    »Mary?«, wiederholte Nolan und wunderte sich über die Ruhe in seiner Stimme, während er innerlich auf Hochtouren lief. »Bedeutet sie Ihnen viel?«
    »Sie ist nur …

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