Wer den Tod begruesst
wahnsinnigen Schreie noch nach und verstummten schließlich.
Nolan fuhr sich mit zittriger Hand durchs Haar. Sah hinüber zum Bett.
Jillian. Er hatte es verdammt satt, sie in Blut gebadet zu sehen. Hatte es verdammt satt, bei dem Gedanken, sie verlieren zu können, vor Kummer schier zu vergehen.
Er würde am liebsten seine Faust so lange gegen eine Wand hämmern, bis er mehr Schmerzen spürte als sie. Stattdessen ging er hinüber zu ihr. Setzte sich aufs Bett. Wischte ihr sanft das Blut aus dem Gesicht mit dem Zipfel des Bettlakens. »Sag mir, dass es nicht deines ist.«
Sie begegnete seinem Blick. Verloren. So verloren.
Sie schüttelte den Kopf. Riss sich bis zum Ende zusammen.
Außer dass sie es dieses Mal nicht so leicht wegstecken konnte.
Sie kämpfte dagegen an, aber schließlich strömten ihr doch heiße Tränen über die Wangen. Und sosehr sie auch versuchte, den quälenden, heftigen Schrei zu unterdrücken, brach er doch aus tiefster Seele als herzzerreißendes Stöhnen hervor.
Etwas wie Tränen trat ihm in die Augen, als er sie vorsichtig in die Arme zog und sich ausweinen ließ.
Etwas wie Leben erfüllte ihn bis zum Bersten, als er ihre zerbrechliche, zitternde Wärme in sich aufsog.
Dann hielt er sie einfach nur – um sich selber vor dem Zusammenbruch zu bewahren.
Er strich ihr die Haare aus den Augen, murmelte ihr aufmunternde Worte zu. Versprach ihr, dass alles wieder gut werden würde. Flüsterte ihr zu, sich ruhig auszuweinen. Wiegte sie in seinen Armen, bis die Schluchzer versiegten. Hielt sie fest, bis sie endlich eingeschlafen war.
Und als er sich gegen das Kopfende des Bettes lehnte mit dieser starken Frau in den Armen, die zwar angeschlagen, aber nicht zerbrochen war, versuchte er, nicht an morgen zu denken und wohin ihr Weg führen würde, obgleich er wusste, was zu tun war.
26
Jillian blickte forschend in die Gesichter ihrer Eltern, als Sonnenlicht schräg durch die Penthouse-Fenster fiel. Sie saßen neben ihr auf dem Sofa, während sie ein Kissen auf ihrem Schoß umklammerte. Das Penthouse war unheimlich still, und das Gurgeln der Kaffeemaschine im Hintergrund war das einzige normale Geräusch in einer ansonsten unnormalen Situation.
Nachdem sie nach ihrem Zusammenbruch am späten Nachmittag des vergangenen Tages erwacht war, hatte Nolan ihr etwas zu essen gemacht und ihr geholfen aufzuräumen. Dann hatte er sie wieder ins Bett gesteckt. Im Gästezimmer. Weg von dem Blut. Weg von den Erinnerungen daran, was ihr beinahe zugestoßen wäre.
Obwohl sie es für unwahrscheinlich gehalten hatte, war sie dennoch tief und fest eingeschlafen. Und zwar bis beinahe zehn Uhr am Morgen.
Nolan war weg.
Ihre Mutter und ihr Vater waren da, und zwar, wie es schien, bereits seit dem vergangenen Abend.
Ihre Blicke waren dumpf vor Besorgnis. Schwer lasteten die Nachwirkungen auf ihnen, dass ihre Tochter beinahe umgebracht worden wäre.
Es war vorbei. Sie lebte.
Sie lebte, aber das Leben hatte sich offenkundig verändert. Für ihren Vater, für ihre Mutter. Für Diane. Und für sie.
Mehr als je zuvor brauchte sie Nolan an ihrer Seite. Das Problem war, sie wusste nicht, wo er sich aufhielt. Sie blendete den Schmerz aus, den dieses in ihr hervorrief, und widmete sich stattdessen einer näher liegenden Sorge. Ihr Vater litt.
»Es scheint so, dass Diane Kleinmeyers wirklicher Name Mary Gates ist«, sagte er, und zum ersten Mal, seit Jillian zurückdenken konnte, sah er ihre Mutter um Unterstützung bittend an.
Clare bedeckte seine Hand mit ihrer und drückte sie.
»Und vor sehr langer Zeit hatte ich eine Affäre mit ihrer Mutter.«
Noch schmerzvoller als dieses Geständnis war es, ihren Vater so zu sehen. Jillian hatte ihn noch nie so gesehen … so durcheinander, so gedrückt. Er war immer eine unerschöpfliche Quelle voller Tatendrang und Energie. Heute jedoch schien ihre Mutter ihn zu stützen. Der Rollentausch war ein wenig schwer zu verkraften.
Es war sogar noch schwerer zu ertragen, dass Jillians Mutter den Faden der Unterhaltung wieder aufnahm, weil ihr Vater dazu offenkundig nicht in der Lage war.
»Wir haben nie darüber gesprochen, Liebling, aber du hattest nie ein Einzelkind sein sollen«, lächelte Clare traurig. »Du warst unser Geschenk. Unser Ein und Alles. Ich … ich hatte mehrere Fehlgeburten, nachdem du geboren warst. Es … nun ja, ich fürchte, ich habe lange Zeit mit dem Warum und dem Zorn und dem Schmerz gehadert. So sehr, dass ich viele Jahre schwer depressiv wurde.
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