Wer den Tod begruesst
nicht eine Ihrer Storys.«
Nein. Er war nicht eine ihrer Storys. Aber er interessierte sie mächtig. Alles, was sie heute über ihn erfahren hatte, war nicht schön. Sicher, es gab auch einiges, was sich gut anhörte, all das Zeug über den Army-Ranger-Helden. Und ja, was er getan hatte – sein Einsatz, sein Wagemut –, das alles hatte sie schon beeindruckt. Aber er hatte auch stramm gefeiert auf dem College, und deswegen nahm sie an, dass es durchaus den einen oder anderen Schönheitsfehler in seiner ansonsten perfekten Militär-Laufbahn gab.
Nach allem, was man wusste, hatte er bei den Rangers Karriere machen wollen. Und dann war er heimgekehrt aus dem Irak. Er war eine volle Woche zu Hause gewesen, als er seinen Abschied eingereicht hatte.
Und von der Bildfläche verschwunden war … bis er vor einigen Tagen in ihrem Penthouse aufgetaucht war.
»Sie sind nicht lange Infanterist geblieben, nicht wahr? Sie sind ein paar Jahre später Ranger geworden.«
»Wenn Sie schon recherchieren, dann bitte richtig. Ich habe mein Rangerabzeichen ein paar Jahre später bekommen. Man schließt die Ranger School ab, bekommt sein Rangabzeichen, aber man ist erst Ranger, wenn man in einem Ranger-Bataillon dient.«
»Okay, Sie haben in einem Ranger-Bataillon gedient. Und dann?«
»Sie sind die Reporterin. Warum erzählen Sie es mir nicht?«
»In Ordnung«, sagte sie liebenswürdig und zog wieder ihre Notizen zu Rate. Er hatte danach einen Unteroffizierslehrgang besucht. »Sie wurden Sergeant, dann Teamleiter, dann … warten Sie. Ich habe es gleich.« Sie blätterte durch die Seiten und fand schließlich, was sie gesucht hatte. Er hatte noch einen weiteren Offizierslehrgang erfolgreich absolviert. »Schließlich wurden Sie zum Staff-Sergeant befördert und bekamen eine Einheit zugeteilt. Richtig?«
Er sagte nichts.
»Diesen Rang haben Sie lange Zeit gehabt. Blieben also lange Zeit bei den Rangers. Warum sind Sie bei Ihrer Ausbildung nicht zu den Special Forces gegangen? Zu den Green Berets oder Delta?«
»Vielleicht bin ich nicht aufgefordert worden – so wie Sie nicht aufgefordert worden sind, diesen ganzen Mist auszubuddeln.«
»Oh, Sie sind aufgefordert worden. Sie haben abgelehnt. Haben Sie es je bedauert?«
»Ich bedaure viele Dinge. Wie diese Unterhaltung.«
»Bedauern Sie, dass Sie die Army verlassen haben?«
Nichts.
»Warum sind Sie gegangen?«
»Sie sind wie ein verdammter Hund mit einem Knochen, wissen Sie das?« Er funkelte sie an, verdrehte die Augen und fluchte. »Zehn Jahre bei den Rangers zu sein schafft jeden, okay? Meine Knie sind im Eimer, und ich hatte die Schnauze voll von allem, was im Bataillon und im Regiment so ablief.«
Sie wartete eine Sekunde, und dann folgte sie ihrem Instinkt, vertraute wieder einmal ihrem »Einfühlungs«-Faktor. »Aber deswegen sind Sie nicht gegangen.«
Mann. Das hatte gesessen. Etwas, was verdächtig nach Schmerz aussah, blitzte in seinen blauen Augen auf, bevor sein Blick wieder eiskalt wurde.
»Worauf läuft dieses Verhör eigentlich hinaus?«
Sie wusste es nicht mehr genau. Anfangs hatte sie ihn nur reizen wollen. Jetzt wollte sie nur etwas wissen … präziser, sie wollte, dass er das Bedürfnis bekam, ihr mehr zu erzählen. »Ich versuche nur, Sie zu verstehen.«
Weiteres düsteres Schweigen folgte, während er die Abfahrt Okeechobee nahm. Einige Meilen später fuhr er in einen rund um die Uhr geöffneten Supermarkt.
»Was soll das?«
»Ich habe Hunger. Diese Häppchen, die sie mittags im Sender serviert haben, können nicht mal einen Zweijährigen am Leben halten, und Sie haben nichts zu essen im Kühlschrank.«
»Ich habe was zu essen.«
»Ein Ei und etwas verwelkten Salat. Und ich schätze, dass ich Sie aus gutem Grund bisher noch nichts habe kochen sehen.«
»Ich kann kochen.«
»Die Kurzwahl Ihrer Lieblingsrestaurants ins Handy zu programmieren ersetzt nicht kochen.« Er schaltete die Gangschaltung auf PARKEN und stellte den Motor ab. »Kommen Sie. Ich brauche mal wieder richtiges Fleisch. Und Sie brauchen etwas, was Ihren Mund beschäftigt.«
Sein Griff an ihrem Arm, als er ihr aus dem Wagen half und zum Supermarkt führte, fühlte sich plötzlich nach mehr als nur nach Führung an. Genau wie seine Bemerkung über etwas, »was ihren Mund beschäftigen« sollte, sich wie ein Vorschlag anhörte, der sie erröten ließ.
»Ich nehme an«, sagte sie und beeilte sich, mit ihm Schritt zu halten und gleichzeitig ein hochunanständiges und
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