Wer einmal auf dem Friedhof liegt...
Bankiers zum Schaden in die Schlagzeilen der Weltpresse und war
Jahrzehnte später noch ein dankbarer Filmstoff.
„ Die
stattliche Großbürgervilla mit den Jugendstilbalko-nen ist die ehemalige
Stadtvilla von Thérèse Humbert, der Heldin des berühmten Erbschaftsschwindels
von 1902. “
Kein Zufall, daß der anscheinend so
honorige Monsieur Labouchère in der ersten Etage dieses Hauses sich
einquartiert hatte. Léo Malet wählt genüßlich und mit Bedacht solch historisch
vorbelastete Adressen, um seine Schlüsselfiguren an exponierten Adressen zu
plazieren.
Das 17. Arrondissement ist übrigens
sehr vielschichtig und uneinheitlich. Es bietet dem Großbürgertum Platz, kennt
eine Vielzahl von kleinen Märkten, aber hinter dem Güterbahnhof und dem
Friedhof von Batignolles auch Arbeiterviertel. Naheliegend, daß das Ehepaar
Désiris auf dem Cimetière des Batignolles bestattet wurde. Zynischer als dort
jedenfalls läßt sich das „requiescat in pacem“ kaum denken, denn die
skrupellosen Stadtplaner der 60er Jahre haben die stark befahrene Pariser
Ringstraße just quer über den Friedhof gezogen, so daß in stillem Frieden dort
keiner mehr ruht. So muß zum Beispiel der exzentrische Dichter Verlaine, dessen
beklagenswert verlottertes Grab im Schatten der dröhnenden Straßenbrücke liegt,
post mortem Höllenqualen durchstehen und moralisierende Kenner seiner
lasterhaften Vita werden darauf verweisen, dies sei eben die Strafe des
Schicksals. Die letzte Ruhestätte der Familie Désiris habe ich natürlich nicht
gefunden.
Weitaus ruhiger als auf dem Friedhof
von Batignolles bettet man sich da schon in der Rue Alphonse-de-Neuville, einer
Seitenstraße der Avenue de Wagram. Hier hob sich der Vorhang zum ersten Akt des
Dramas.
Der Tatort „Operettenschlößchen“ fällt
sofort ins Auge. Die verspielte Architektur, das grotesk verkitschte
Dachgeschoß, die aufgesetzte Kuppel (kein Spitzentürmchen, wie Burma schildert)
lassen keinen Zweifel. An einem solchen Kleinod konnte der Stadtspaziergänger
Malet nicht vorübergehen. Da spielt es keine Rolle, daß das eine oder andere
Detail hinzuerfunden wurde. Die Läden der beiden Fenster im Erdgeschoß sind
noch immer (oder schon wieder) geschlossen.
Ein bürgerliches Drama, Richtung
Balzac, mutmaßt der Boulevardjournalist Marc Covet, und er mag daran gedacht haben,
daß Balzac nur einige hundert Meter weiter, im 8. Arrondissement (siehe Léo
Malet, „Corrida auf den Champs-Elysées“), seine letzte Bleibe gefunden hatte.
In der damaligen Rue Fortunée, die heute Balzacs Namen trägt, hatte er zusammen
mit der ihm endlich angetrauten Gräfin Hanska ein Haus erworben, von dem
inzwischen nur noch ein kleiner Rundbau übriggeblieben ist.
Tatsächlich ist die Gegend nördlich
des Arc de Triomphe ein Viertel, in dem sich, wie Burma anmerkt, zahlreiche
Überreste einer vergangenen Epoche finden lassen, luxuriöse Wohnsitze von
Berühmtheiten der Salons und der Schlafzimmer, von Malern, die groß in Mode
waren, von Schauspielerinnen und berühmten Vertreterinnen des horizontalen
Gewerbes.
Umso enttäuschender, daß ausgerechnet
das Haus der berühmten Schauspielerin Sarah Bernhardt am breiten Boulevard
Pereire vor einigen Jahren einem nichtssagenden Neubau gewichen ist. Sarah, der
ihre Mutter den aparten Namen Rosine mit auf den Lebensweg gegeben hatte,
verdankt ihre Karriere nicht zuletzt einem Halbbruder des Kaisers Napoleon, der
sich Sarahs Mutter als Mätresse hielt.
Bis ins überreife Alter hinein blieb
die Bernhardt die ruhmreichste der zeitgenössischen Schauspielerinnen. Als man
ihr im Alter von 71 Jahren ein Bein amputieren mußte, da spielte sie eben mit
einem Holzbein weiter und dachte auch gar nicht daran, wegen dieser Behinderung
ihre Wohnung im fünften Stock am Boulevard Pereire zu räumen. Erhalten ist
dagegen die Häuserzeile in der Rue du Dopropol in der Nähe der Porte Maillot.
Auch eins der sechsstöckigen Häuser, die in der Epoche der Art deco als modern
galten. Meist haben sie sogar mehr als sechs Etagen.
Hier hatten also die Damen Prégine,
Yolande und die anderen ihr Lager aufgeschlagen und hier kam es auch zur
Schießerei mit den einander befehdenden Gangstern, die selbst Nestor nicht
unbeschadet überstand. Erstaunlich in dem Zusammenhang, daß ihm diesmal der
sonst schon obligate Schlag auf den Hinterkopf erspart blieb.
Die Rue du Dopropol vermittelt ganz
und gar nicht verruchte Ambiance, sondern eher den diskreten Charme der
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