Wer einmal auf dem Friedhof liegt...
ein paar Tage tot,
als Chambefort noch lebte. Das beweist die Kartei des Krankenhauses, in dem man
seine zerquetschte Hand behandelt hat.“ Faroux zieht fragend die Augenbrauen
hoch. „Sie kennen den Mörder von Chambefort?“
„Ich glaube, ja. Verrate ich Ihnen
später. Reden wir erst noch von dem vierten Opfer der Diamanten: Huguette de
Mèneval.“ Ich erzähle ihm den ersten Teil der letzten Nacht.
„Ihre Hand ist zerquetscht, sagen
Sie?“ ruft Faroux. „Aber... Das ist doch... Chambefort...“
„...hatte den Trick mit der Decke entdeckt,
der schon lange in Vergessenheit geraten war. Selbst die Gräfin hatte, wenn
überhaupt, nur als Legende davon gehört... jedenfalls bis gestern. Désiris hat
den Mechanismus wieder in Gang gesetzt, ohne irgend jemandem was davon zu erzählen, auch nicht Yolande. In der Spalte versteckte der
Ingenieur die wichtigsten Pläne seiner Erfindung. Er und Chambefort müssen über
die Kuriositäten der Villa im Bilde gewesen sein. Es war ja auch gar nicht so
schwer, an diese Informationen zu kommen. Steht alles in dem Buch, das Mutter
Mèneval sich besorgt hat, nachdem ich ihr das Märchen mit dem versteckten Geld
erzählt hatte... Sollte eigentlich ‘n Witz sein...“
„Wieder jemand, der das Glück hatte,
Sie zu treffen und Ihren eigenartigen Humor kennenzulernen“, sagt Faroux
grinsend.
Ich lasse die Bemerkung im Raum stehen
und fahre fort: „Die alte Dame hat wohl ihre grauen Zellen auf Trab gebracht, —
mit Futterkalk oder so was Ähnlichem — , hat in ihren Erinnerungen gekramt,
dort die Geschichte von der verschiebbaren Decke gefunden und sich gesagt, daß
es doch sicher ein Buch über solche Abartigkeiten geben müsse. Dann hat sie
sich ans Telefon gehängt und sämtliche Buchhändler gelöchert. Und so ist sie an
das richtige Buch gekommen: Geheimnisvolle Kuriositäten des 17. Arrondissements. Hier ist der Schinken...“
Ich zaubere das Werk aus meiner
Reisetasche und lege es neben die Diamanten. Faroux winkt seinen Inspektor
Fabre zu sich und fragt ihn leise:
„In Chambeforts Wohnung lag doch auch
so was Ähnliches, oder?“
„Ja, Chef. Genau das gleiche.“
„Sehr gut“, sage ich. „Der war nämlich
hinter Désiris’ Erfindung her. Er liest von der geheimnisvollen Kuriosität im
Altersitz der Gräfin, schleicht sich ein — am 2. oder 3. März, als niemand im
Haus ist...“
„Mit Spezialwerkzeug, wie Sie?“
„Nein. Mit einem Schlüssel. Und dieser
Schlüssel ist der Schlüssel zum Geheimnis, Kommissar. Chambefort hat ihn
nachgemacht oder nachmachen lassen. Der Schlüssel, der das Gartentor
aufschließt. Mit den anderen Schlössern wird jeder Anfänger fertig. Chambefort
schleicht sich also ins Haus, betätigt den Mechanismus und klaut die
Zeichnungen des Erfinders. Die Diamanten liegen daneben, aber ihn interessiert
nur die Erfindung. Der Beutel läßt ihn einen Augenblick stutzen... einen
Augenblick zu lange... und peng !, schließt sich der
Deckenspalt, ohne ,Vorsicht!’ zu schreien. Dafür schreit Chambefort: ,Au ! Meine Hand!’ Er kann sie — und die Pläne — aber doch
noch rausziehen und flüchten. Désiris hat den Schrei gehört, rennt in das
Zimmer und entdeckt den Diebstahl. Außerdem hat Chambefort Blutspuren
hinterlassen. Désiris wischt das Blut auf... Mit seinem Unterhemd, das er in
die schmutzige Wäsche gibt. (Gerade die Geschichte mit dem Unterhemd hab ich
der Gräfin nicht geglaubt!) Mutter Mèneval hat mir von einem plötzlichen
Wutanfall ihres Mieters erzählt. Er hatte keine Ahnung, wer die Zeichnungen
geklaut haben konnte. Eine Kopie gab es nicht. Und dann wird Sarfotti
verhaftet. Das ist zuviel für das sensible Genie. In einem regelrechten Anfall
von Wahnsinn erschießt er sich, nachdem er seine Frau umgebracht hat. Sie muß
ihm wohl als Symbol seines gnadenlosen Schicksals erschienen sein.“
„Ja“, stimmt mir Faroux zu, „so muß
sich das abgespielt haben. Aber kommen wir wieder auf Chambefort zurück. Der
kann zwar flüchten, wird hinterher jedoch auf der Île de la Grande-Jatte um die
Ecke gebracht.“
„Allerdings!“
„Und von wem?“
„Darauf komme ich gleich.“
„Und dieser Schlüssel? Der zum
Gartentor und zum Geheimnis?“
„Auch darauf komme ich gleich. Was
hatte Chambeforts Leichenhemd in den Taschen?“
„Ein Taschenmesser, etwas Kleingeld
und einen vermoderten Ausweis, durch den wir ihn schnell identifizieren
konnten. Das ist alles. Keinen... Ach so! Darauf wollen Sie hinaus?
Weitere Kostenlose Bücher