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Wer hat Angst vorm boesen Wolf

Wer hat Angst vorm boesen Wolf

Titel: Wer hat Angst vorm boesen Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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einer von zehn Fingern.«
    »Ich sage ja auch nur, daß es eine logische Erklärung gibt. Also? Die Ärztin kann sich nicht vorstellen, daß ihr Patient einen Mord begehen würde?«
    »Nein.«
    »Glaubst du ihr?«
    »Sie weiß unbestreitbar einiges darüber, wer er ist, und verfügt über eine ziemlich solide fachliche Erfahrung.«
    »Aber darauf nimmst du doch sonst keine Rücksicht. Ich glaube, daß es so einfach ist. Ich glaube, er war es.«
    »Du hast dich zu lange mit Gurvin unterhalten.«
    »Ich versuche nur, vernünftig zu denken. Er ist dort draußen aufgewachsen. Sie hat ihn gekannt. Kein Mensch kam je zu ihrem Haus, nur dieser Kaufmann. Errki ist am Morgen des Mordes auf dem Hof gesehen worden. Und er ist sehr krank.«
    »Würdest du darauf wetten?« fragte Sejer lächelnd.
    »Ja, warum nicht.«
    »Dann halte ich dagegen.«
    »Wenn du verlierst, kommst du mit mir ins Königliche Wappen und läßt dich vollaufen.«
    Bei dieser Vorstellung durchlief Sejer ein kalter Schauder.
    »Und wenn du verlierst, springst du mit dem Fallschirm ab. Okay?«
    »Äh. Na gut.«
    »Kann ich das schriftlich haben?«
    »Verläßt du dich nicht auf mein christliches Ehrenwort?«
    »Doch, natürlich.« Sejer schüttelte den Kopf und lehnte den Mop an die Wand. »Mach dich jetzt auf den Weg. Aber eins mußt du wissen. Wir Menschen können nicht alles mit dem gesunden Menschenverstand erklären.«
    Er zog eine Schublade auf, um klarzustellen, daß das Gespräch beendet sei. »Kauf dir ein Paar hohe Stiefel«, sagte er noch.
    »Wozu?«
    »Für den Fallschirmabsprung. Damit du dir nicht den Knöchel brichst.«
    Skarre wurde noch ein wenig bleicher und verschwand.
    Sejer setzte sich und machte in aller Eile einige Notizen über seine Unterredung mit Dr. Struel. Danach schlug er das Telefonbuch beim Buchstaben S auf. Und behielt dabei die Tür im Auge, so als habe er Angst, auf frischer Tat ertappt zu werden. Den Namen hatte er bald gefunden, er stand zwischen Strougal und Stryken. Struel, Sara, Ärztin.
    Sara, dachte er. Romantisch. Exotisch.
    Und darunter stand: Struel, Gerhard. Arzt. Mit derselben Nummer. Sejer seufzte tief und klappte das Telefonbuch zu. Sara und Gerhard. Wie elegant das klang. Enttäuscht wie ein Kind schob er das Telefonbuch beiseite.

BRIGGENS LANDKAUFHAUS war dermaßen zugekleistert mit Schildern und Reklametafeln, daß es mit einem Rummelplatz Ähnlichkeit hatte. Schrille orangerote, rosa und gelbe Anschläge überall. Hausgemachte Fischfrikadellen, tiefgefrorene Kalbsleber.
    Ansonsten hätte es ein schönes Haus sein können, ein rotgestrichener zweigeschossiger Bau; Skarre nahm an, daß
    Briggen über dem Laden wohnte. Er stellte den Wagen ab und ging hinein. Es gab zwei Kassen, hinter der einen saß eine junge Frau und las in einer Illustrierten. Eine kräftige Dauerwelle hielt ihren runden Kopf in eisernem Griff. Die Frau schaute hoch und sah Skarres Uniform. Mit einem Klatschen landete die Illustrierte auf ihren Knien.
    Skarre sah gut aus. Sah in jeder Hinsicht gut aus mit seinem freundlichen Gesicht und der Wolke aus blonden Locken. Und er hatte die seltene Fähigkeit, allen Menschen die gleiche ehrliche Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Auch denen, die ihn nicht interessierten, wie diese Frau hier. Sie trug eine Brille mit schwarzem Gestell und mehr als zehn Kilo zuviel an ihrem stumpfen Körper. Er strahlte sie an.
    »Ihr Chef, ist der in der Nähe?«
    »Oddchen? Der ist im Lager und packt Fischstäbchen aus. Gehen Sie dahinten an der Milch vorbei und dann durch die Tür neben dem Gemüse.«
    Skarre trottete davon.
    Die Kassiererin öffnete ihre Zeitschrift wieder, nahm aber keine einzige Zeile wahr. Sie schaute nach links, wo sie im Plexiglas, das die Kasse wie ein Wandschirm umgab, ihr Spiegelbild gerade noch erkennen konnte. Ihre Haare und ihr Gesicht waren blaß und ein wenig undeutlich; wenn sie die Brille abnahm, hatte sie fast Ähnlichkeit mit einer älteren Ausgabe von Shirley Temple. In Gedanken ging sie alles durch, was sie über Halldis Horn wußte, denn es war doch durchaus möglich, daß der Polizist auch mit ihr sprechen wollte. Sie bereitete sich gründlich auf diese Unterhaltung vor. In zwei oder drei Minuten würde er vor ihrer Kasse stehen, und wenn sie einige Antworten auswendig lernte, konnte sie dann sein Gesicht studieren und sich jede kleinste Einzelheit einprägen. Wirklich blöd, daß sie nichts wußte, nichts Wichtiges. Das hätte ihr einen Platz in seiner Erinnerung gegeben.

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