Wer hat Angst vorm boesen Wolf
Fingerabdrücke?«
»Wir wollen sie isolieren.«
»Sie wollen was?«
Skarre versuchte Ruhe zu bewahren. »Im Wirrwarr der Abdrücke müssen wir jeden einzelnen zuordnen können. Einige stammen von Halldis. Manche können zu diesem Kristoffer gehören, andere zu Ihnen. Und wieder andere zum Täter. Wir brauchen Ihre Abdrücke, um sie mit den herrenlosen vergleichen zu können. Denn diese Abdrücke können vom Mörder stammen. Verstehen Sie?«
Allmählich gewann Briggen seine normale Farbe zurück. »Ich hoffe, Sie erzählen das nicht weiter. Die Leute könnten doch glauben, ich hätte etwas mit der Sache zu tun.«
»Wer auch nur die geringste Ahnung von Polizeiarbeit hat, glaubt das nicht«, tröstete Skarre.
Er bedankte sich bei dem Kaufmann und ging zurück in den Laden. Johnna spielte vage mit dem Gedanken, sich die Augenbrauen zu zupfen, als er plötzlich neben ihrer Kasse stand. Daß er schöne Augen hatte, war das eine. Aber sein Mund, dachte sie - denn der Mund war so ungefähr das erste, worauf sie bei einem Mann achtete, und die Vorstellung, wie sensibel Skarres Mund sein mußte, hätte sie fast überwältigt. Skarres Mund war einfach perfekt, ein breiter Mund mit vollen Lippen, aber nicht so geschwungen, daß er feminin gewirkt hätte. Er war gerade und symmetrisch, die Zähne waren makellos. Der schwache Bogen der Oberlippe wiederholte sich in den Augenbrauen.
»Jacob Skarre«, er lächelte.
Natürlich hat er einen biblischen Namen, dachte sie.
»Darf ich Sie ganz schnell etwas fragen? Waren Sie je oben auf Halldis’ Hof?«
»Einmal, mit Odd.« Dabei nickte sie. Nicht eine Locke bewegte sich. »An einem Samstagnachmittag, mein Wagen war zusammengebrochen, und Odd bot an, mich zu fahren, wenn ich nichts gegen den Umweg zu Halldis hätte. Sie hatte keinen Kaffee mehr. Das ist jetzt lange her.«
Sie hatte die Brille abgenommen und auf ihren Schoß gelegt.
»Wissen Sie, ob noch andere Leute Halldis besucht haben?«
Johnna dachte kurz nach. »Eine Zeitlang hat ein Typ bei uns gearbeitet. Die KFF rief an und fragte, ob wir ihn unterbringen könnten.«
»Die KFF?« fragte Skarre überrascht.
»Kriminalfürsorge in Freiheit«, erklärte Johnna. »Sie haben Oddchen gefragt, ob er hier arbeiten könnte, so versuchsweise. Die machen so eine Art Nachsorge für entlassene Häftlinge, und ...«
»Das weiß ich«, sagte Skarre rasch. »Tommy Rein?«
»Ja, so hieß er.«
»Ist er manchmal mit zu Halldis gefahren?«
»Ein- oder zweimal. Er ist nach einer Weile wieder verschwunden, fand es hier zu langweilig. Es gibt ja nicht einmal eine Kneipe. Ich weiß nicht, wo er jetzt ist, ich habe ihn nie wieder gesehen.«
»Konnten Sie ihn leiden?«
Sie dachte nach und versuchte, sich an Tommy Reins Gesicht zu erinnern, aber ihr fielen nur die blauschwarzen Tätowierungen an seinen Armen ein. Und die Unruhe, die sie immer gespürt hatte, wenn er in der Nähe war, obwohl er sie nie angesehen hatte, jedenfalls nicht mit Blicken von der Sorte, die ihr so selten zuteil wurde. Im Grunde hatte sie das ein wenig verletzt, wenn sie sich die Sache genauer überlegte. Nicht einmal ein schnöder Gauner schaute Johnna zweimal an.
»Den? Nein, kein bißchen«, erklärte sie rachsüchtig.
»Briggen hat diese Vorstrafe gar nicht erwähnt«, sagte Skarre vorsichtig. Zugleich bedachte er Johnna mit einem vertraulichen Blick, dem sie nicht widerstehen konnte.
»Natürlich nicht. Er ist doch sein Neffe, und bestimmt schämt er sich wegen dieser Verwandtschaft. Tommy ist der Sohn von Oddchens Schwester.«
»Ach, so ist das also!« Das notierte Skarre nicht, er wollte ihr nicht das Gefühl geben, geklatscht zu haben.
»Wissen Sie, weswegen er gesessen hat?«
»Wegen Diebstahls.«
»Und ist Briggen verheiratet?«
»Er ist Witwer.«
»Ach so.«
»Er ist schon seit elf Jahren allein.«
»So. Seit elf Jahren.« Skarre lächelte geduldig.
»Sie hat sich das Leben genommen«, flüsterte Johnna plötzlich, in dem Tonfall, in dem zumeist über Ehebruch gesprochen wird.
Skarre nickte vielsagend. Solche Mitteilungen sagen eigentlich sehr viel über Menschen und Leben, darüber, warum die Dinge so sind, wie sie sind, dachte er. Er bedachte Johnna mit einem Blick, der zum Ausdruck brachte, wie sehr er diese Auskunft zu schätzen wußte.
»Wie lange arbeiten Sie schon hier?« fragte er als nächstes.
»Seit acht Jahren. Seit kurz vor dem Tod von Halldis’ Mann.«
Sie gab sich große Mühe, klare Antworten zu geben und nichts
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