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Wer im Trueben fischt

Wer im Trueben fischt

Titel: Wer im Trueben fischt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mechthild Lanfermann
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Emma.«
    »Kannst ja nichts dafür«, brummte der Techniker.
    Er ging wieder zum Stuhl und ließ sich darauffallen. Das Licht des Monitors beleuchtete sein Gesicht. Emma schloss leise die Tür von außen.
    Jeder Sender arbeitete mit einem anderen Schnittsystem. Emma hatte heute Abend die Technikeinführung des Kollegen verpasst und musste sich selbst in das System einarbeiten.
    Ein Techniker hätte es ihr in einer halben Stunde erklären können. Allein brauchte sie bis drei Uhr nachts.
    Sie spielte die Töne ins System und schnitt sie in einzelne Takes. Zuerst die Worte Blumes aus der Pressekonferenz. Dann seine Aussagen im Interview. Dazu schrieb sie einen kurzen Text für die Nachrichten. Emma zog sich den Kopfhörer von den Ohren und legte den Kopf schwer auf ihre Hände. Ihre Augen brannten. Draußen verzog sich ganz langsam das Schwarz der Nacht, die blaue Stunde begann.
    Sie überlegte. Der Exfreund ihrer Freundin Marianne war Arzt gewesen. Als sie sich von ihm trennte, erzählte sie Emma, er habe sie gelangweilt. Er hatte immer wieder bei ihr angerufen, später dann auch bei Emma. Sie war mit ihm spazieren gegangen, und er hatte sie gefragt, ob sie nicht wüsste, warum Marianne mit ihm Schluss gemacht hatte. Nach ein paar Treffen hatte er aufgehört zu fragen, und sie waren am Fluss entlanggegangen, ohne viel zu reden. Als er jemand Neues kennen lernte, hatten die Anrufe nachgelassen.
    Sie schaute im Internet nach der Telefonnummer und wählte. Als es tutete, warf sie einen Blick auf die Uhr. Egal, dachte sie. Ich hab was gut bei ihm.
    »Brinkhorst.«
    »Hannes, hier ist Emma.«
    »Emma! Was – ist was mit Marianne?«
    »Nein, mit ihr ist alles o.k., oder ehrlich gesagt, ich hab keine Ahnung. Ich ruf dich an, weil ich eine Auskunft brauche, eine medizinische.«
    »Oh, na ja. O.k., schieß los.«
    »Ich war heute Zeuge eines Unglücksfalles, ein Mann ist ins Koma gefallen, und es roch so, als sei eine ganze Nagellackflasche ausgekippt worden. Hast du dafür eine Erklärung?«
    »Aceton.«
    Emma streckte sich über den Tisch, nahm einen Bleistift aus der Ablage und schrieb mit.
    »Was ist das?«
    Sie hörte Hannes gähnen und ein Geräusch, als kratzte er sich.
    »Der Körper übersäuert, er strömt den typischen Acetongeruch aus. Das riecht ungefähr so wie Nagellackentferner. War der Mann Diabetiker?«
    Zuckerkrank, dachte Emma. Ins Koma gefallen. Laut sagte sie in den Hörer: »Ich vermute es.«
    »Aceton strömt der Körper aus, wenn er überzuckert ist.«
    »Überzuckert?«
    »Ja, wenn bei einer Diabeteserkrankung kein Insulin zugeführt wurde. Oder das Insulin nicht wirksam war.«
    »Wie lange dauert es, bis man daran stirbt?«
    »Das kommt darauf an. Die Symptome wie Schweißausbrüche und Herzrasen sind meist ganz gute Warnzeichen. Es kommt auch auf die körperliche Verfassung des Patienten an. Meistens bleibt genug Zeit zu reagieren. Aber wenn der Betroffene erst mal ins Koma gefallen ist, kann es auch schnell gehen. Ich weiß nicht, vielleicht eine Stunde.«
    »Danke.« Emma flüsterte. Sie schrieb eine Sechzig vor sich auf das Blatt.
    »Ein Bekannter von dir?«
    »Nein, ich war beruflich dabei.«
    »Oh, ich dachte, du arbeitest gar nicht mehr. Ich meine … ich hatte davon gehört.«
    »In Berlin. Ich bin jetzt in Berlin.«
    »Ach so.«
    Es war still.
    »Danke Hannes. Ich hoffe, du kannst noch mal einschlafen.«
    »Emma?«
    Sie wechselte den Hörer in die linke Hand.
    »Ja?«
    »Es tut mir leid, dass ich mich nicht gemeldet habe. Als das mit dem Mädchen passiert ist.«
    Emma holte Luft. Es schmerzte in ihren Lungen wie an einem Wintertag mit Minusgraden. Hannes redete schnell weiter.
    »Du warst für mich da, wegen Marianne, und ich …«
    »Ich glaube nicht, dass sich das vergleichen lässt.«
    Jetzt schwieg er. Emma fragte sich, ob sie ihn beleidigt hatte. »Lass gut sein, Hannes.«
    »Ich wünsch dir alles Gute. Das mein ich wirklich.«
    Er hatte aufgelegt. Emma starrte auf das Blatt vor sich. Eine Stunde. Ein paar Tänze vorne im Saal, ein gutes Gespräch beim Champagner. Eine Stunde konnte sehr lang sein. Bei Jenni war es schneller gegangen.
    Die Buchstaben verschwammen. Nur einen Moment die Augen schließen.
    Ihre Arme schoben sich wie von selbst auf die Schreibtischplatte. Ihr Kopf sank nach unten. Noch blieb Zeit, bis die Frühredaktion käme. Ihr Schreibtischstuhl ließ sich weit zurückstellen. Ob sie hier vielleicht irgendwo eine Decke auftreiben konnte?
    Da flog mit einem Knall die

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