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Wer im Trueben fischt

Wer im Trueben fischt

Titel: Wer im Trueben fischt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mechthild Lanfermann
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oder was?«
    Jetzt sagte Emma nichts mehr. Blume hätte sich selber treten können, so dumm fand er seinen Trotz.
    »Ich habe jetzt eine Sitzung. Bitte wende dich an den Polizei-Pressesprecher.«
    Er legte auf. Erkenschwick stand an der Tür. Sein Jackett hatte er in der Hand, man sah die breiten Hosenträger, die den Bund der Jeans hielten. Schwach wehte ein Schweißgeruch durchs Zimmer. Wer nimmt denn noch Hosenträger, dachte Blume. Er hätte seinen Assistenten am liebsten angeschrien, aber er hielt den Mund und nahm sich vor, heute Abend bis zum Umfallen zu joggen. Erkenschwick sagte:
    »Ich hol mir einen Kaffee an der Ecke, willst du auch was?«
    Blume schüttelte den Kopf und blätterte in einer Akte, die seit Monaten auf seinem Tisch verstaubte. Als er nichts hörte, sah er wieder hoch. Erkenschwick stand immer noch in der Tür und sah ihn an.
    »Ist noch was?«
    »Nee«, sagte Erkenschwick, »ich dachte nur, du überlegst es dir vielleicht noch mal.«
    »Warum sollte ich?«
    »Weil man manchmal Dinge tut, obwohl man sie nicht tun will. Und manchmal macht man Dinge nicht, obwohl man eigentlich will.«
    »So was wie Kaffee bestellen?«
    »Genau.«
    Erkenschwick drehte sich um und wollte aus dem Zimmer gehen. Dann blieb er noch mal stehen.
    »Und weißt du was? Am Ende bereut man immer die Dinge, die man nicht getan hat.«
    Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis Hans Erkenschwick sein Büro wieder betrat. Er war schon so lange dabei, dass er auf jedem Flur jemanden traf. In der Hand hielt er den leeren Kaffeebecher, den er unterwegs getrunken hatte. Er warf einen Blick in Blumes Büro. Es war leer. Auf seinem Schreibtisch fand Erkenschwick einen Zettel, bin noch mal weg, stand dort. Wenn was ist, ruf mich auf dem Handy an.
    Erkenschwick lächelte und warf den Pappbecher quer durch den Raum in den Mülleimer.

S eine Stirnfalte war noch tiefer als sonst. Er hatte die Hände in den Hosentaschen und schaute an ihr vorbei die roten Backsteinfassaden hoch. Das Bundesamt für zentrale Dienste war wie eine eigene Stadt, sieben- oder achtgeschossige Neubauten, zwischen denen der Wind durchpfiff. Emma hatte Blume noch mal genau gesagt, was sie suchten, und er hatte unwirsch genickt. Jetzt lief er hinter ihr das Gelände ab. Sie spürte seinen Blick in ihrem Nacken. Was soll ich sagen?, dachte sie.
    Vor Haus 5 blieben sie stehen, Blume zeigte seinen Ausweis vor, und sie gingen die Stufen hinunter ins Archiv.
    »Warum Moabit?« Seine ersten Worte an sie.
    Emma drehte sich zu ihm um.
    »Was?«
    »Du hast gesagt, du suchst etwas aus dem Bestand des Finanzamtes Moabit-West. Warum? Rosenberg wohnte in Lichtenberg.«
    »Bei Ausbürgerungsangelegenheiten von Juden war reichsweit das Finanzamt Moabit-West zuständig.«
    »Aha.«
    Sie beobachtete ihn.
    »Blume, können wir das hier bitte sachlich angehen?«
    »Sicher.«
    »Was ich dir am Telefon gesagt habe, das war nicht, weil ich dich nicht …«
    »Erspar es mir. Es ist so schon unangenehm genug. Aber ich muss nun mal allen Hinweisen nachgehen.«
    Sie sah ihn noch einen Moment an, dann drehte sie sich wieder um und ging die letzten Stufen hinunter.
    Die Frau im Archiv war schon älter, ziemlich dick und trug den unvermeidlichen Blusen-Westen-Zweiteiler ihrer Generation. Nachdem sie sich lange mit Blumes Ausweis beschäftigt hatte, verschwand sie mit den Suchangaben von Emma in der Tiefe der Regale. Blume hatte eine Hand auf die Theke gelegt, und Emma spürte, welche Wärme davon ausging. Sie zwang sich, woanders hinzusehen.
    Die Frau kam mit einem kleinen Pappkarton zurück. Sie zog einen blauen Hefter heraus und legte ihn vor sie hin.
    Oberfinanzpräsident Berlin Brandenburg, Akte Nr. 1269, Rosenberg, Carl Josef.
    Emma streckte die Hände danach aus, aber Blume war schneller. Die Archivarin zeigte mit dem Kinn nach rechts.
    »Sie können sich die Akte im Lesesaal anschauen. Für Kopien brauchen Sie eine Sondergenehmigung.«
    Blume hatte sich mit der Mappe in der Hand schon umgedreht, da fiel ihm noch etwas ein.
    »Hat sich in den letzten Tagen schon mal jemand nach dieser Akte erkundigt?«
    »Das weiß ich nicht, ich hatte letzte Woche Urlaub.«
    »Können Sie es herausfinden?«
    Die Archivarin starrte ihn an. »Jetzt?«
    Blume lächelte sie strahlend an.
    »Das wäre sehr wichtig, ja.«
    Die Frau brummelte etwas und verließ den Raum. Emma ging vor Blume in Richtung Lesesaal. Sie brannte darauf, in die Akte zu schauen.
    Der Lesesaal war ein kleiner Raum mit vier weißen

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