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Wer im Trueben fischt

Wer im Trueben fischt

Titel: Wer im Trueben fischt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mechthild Lanfermann
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Enkeln eine Fotogalerie. Da war er, neben Kühling, alles sauber beschriftet. Sie sehen ihm sogar ein bisschen ähnlich.«
    Waldreich lachte freudlos. Er sah aus, als stünde er kurz davor zu weinen. Emma legte ihm eine Hand auf den Arm.
    »Ihr Vater ist mit einem blauen Auge davongekommen.«
    Waldreich sah sie an.
    »Mein Vater hat ein Leben lang um seinen Status gerungen. Sie hätten ihm nichts Schlimmeres antun können.«
    »Wusste Rosenberg davon? Der Name Weydrich muss ihm bei seinen Recherchen begegnet sein. Wusste er, dass Sie sein Sohn waren?«
    Der Professor schüttelte langsam den Kopf.
    »Nein. Er hat jedenfalls nie davon gesprochen.«
    »Warum kam er ausgerechnet zu Ihnen?«
    »Wir kannten uns aus New York. Ich bin Experte im deutschen Steuerrecht. Als er den Haftbefehl gegen seinen Großvater las, wollte er wissen, was dahintersteckte. Ich fand für ihn heraus, wo die alten Steuerakten liegen. Ich war aufgeregt, ich dachte …«
    »Wollten Sie auch bei ihm einen hässlichen Fleck in der Vergangenheit finden, Professor?«
    Er ließ die Schultern hängen.
    »Ich wollte, dass er sich auch schämt für seine Familie.«
    »Aber dann erzählte er Ihnen von den jungen Fischen.«
    »Seine Großmutter hatte immer wieder davon geredet. Er hatte nie richtig Deutsch gelernt, er konnte nur ein paar Brocken, und auch die vergaß er wieder. Als sie starb, fand er bei ihr diese Fotografie mit der Nachricht auf der Rückseite. Und er erinnerte sich an die Worte ›Junge Fische‹.«
    »Wussten Sie gleich, was es damit auf sich hat?«
    »Ich hatte davon schon einmal gehört, und ich brauchte ziemlich lange, um es wiederzufinden. Aber dann war mir klar, dass der alte Rosenberg nicht … dass er …«
    »Dass er reingelegt worden war, wollen Sie das sagen?«
    »Ja.«
    »Sie finden also heraus, dass der Großvater unschuldig war. Waren Sie nicht enttäuscht? Sie hatten so sehr gehofft, dass Sie Tom Rosenberg etwas heimzahlen konnten, und dann das.«
    »Ja, ich …«
    »Waren Sie wütend, Professor Waldreich? Sie sagen ihm, dass der Haftbefehl gegen seinen Großvater zu Unrecht ausgestellt worden war. Natürlich ist er froh darüber. Vielleicht lacht er erleichtert, vielleicht schlägt er Ihnen sogar mit der Hand auf die Schulter. So machen das doch Amerikaner, oder? Und zwei Tage später ist er tot!«
    »Aber damit habe ich nichts zu tun, Herrgott, ich habe doch nichts mit einem Mord zu tun, bitte, das müssen Sie mir glauben.«
    Waldreich atmete schwer. Sein Gesicht war rot, sein dünnes Haar schweißnass. Emma sah ihn an. Der Professor fuhr sich mit der Hand über das Gesicht.
    »Sein Großvater war betrogen worden, das ist wahr. Aber er war beileibe kein Engel. Er hat mit übelsten Methoden den Leuten ihr Ackerland abgeschwatzt, um daraus teures Bauland zu machen. Und das habe ich Tom auch gesagt!«
    Emma seufzte.
    »Warum haben Sie das nicht öffentlich gemacht?«
    Waldreich verzog den Mund zu einem Lächeln, aber es kam nur eine schiefe Grimasse dabei heraus.
    »Ich hab ihm damit gedroht.«
    Langsam stand er auf und ging wieder zum Fenster. Eine Weile schaute er hinaus, dann sagte er ruhig:
    »Ich habe meinen Vater gerächt.«
    Emma sah an ihm vorbei auf das blau leuchtende Aquarium. Sie fing an zu verstehen.
    »Die Professur?«
    Waldreich nickte.
    »Für den Haftbefehl, den die Nazis gegen ihn ausstellten, konnte sein Großvater nichts. Aber es gab dunkle Flecken in seinem Leben.«
    Er öffnete das Fenster. Kalte frische Luft drang in den Raum. Waldreich atmete tief durch.
    »Tom war prominent. Er hatte sich als Rächer aufgespielt, und das hatten ihm viele in diesem Land übelgenommen. Ich sagte ihm, es gäbe genug Zeitungen, die die Geschichten über die unsauberen Geschäftspraktiken seines Großvaters drucken würden.«
    Waldreich schloss das Fenster wieder und drehte sich zu Emma um.
    »Er sollte die Professur abgeben.«
    Emma nickte langsam.
    »Rosenberg konnte kaum Deutsch. An dem Abend las er seinen Rücktritt von einem Zettel ab.«
    »Ich bin nicht würdig … klingt religiös, oder?«
    Waldreich kicherte wie ein Kind.
    »Ich wünschte, mein Vater hätte ihn hören können.«
    Da steht er und freut sich über seinen kleinen schäbigen Sieg, dachte Emma. Aber wer hat Rosenberg dann umgebracht?
    »Professor, bitte sagen Sie mir, was hinter den jungen Fischen steckt!«
    »Das werde ich ganz bestimmt nicht tun.«
    »Soll noch länger über alles geschwiegen werden? Rosenberg ist tot!«
    »Und Sie sind es

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