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Wer im Trueben fischt

Wer im Trueben fischt

Titel: Wer im Trueben fischt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mechthild Lanfermann
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Kunststofftischen. Licht fiel nur wenig durch die Souterrainfenster.
    Blume setzte sich an den ersten Tisch, legte die Akte vor sich hin und knipste die kleine Leuchte an. Emma holte sich einen Stuhl vom Nachbartisch und setzte sich an seine Seite. Sie hielt den Atem an, als er das blaue Heft aufschlug.
    Das erste Blatt war ein leicht vergilbter Vordruck, ausgestellt von der Ortspolizeibehörde, Verteiler: Geheime Staatspolizei, Berlin Landesfinanzamt Alt-Moabit und die Reichsbankanstalt, Berlin. Mit Schreibmaschine waren Name und Beruf eingetragen. »Rosenberg, Carl Josef, Bauunternehmer, bei der Auswahl Deutschblütig, Mischling 1. o. 2. Grades, Jude«, Letzteres war unterstrichen, »beabsichtigt, nach eigener Aussage ins Ausland zu gehen. Ein Antrag auf eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ist abzulehnen. Begründung: ausstehende Vermögenswerte.«
    Emma nahm das Blatt vorsichtig und legte es beiseite. Darunter befand sich ein Brief eines Notars aus Berlin Lichtenberg, der Briefkopf mit dem NSDAP -Adler. Das Haus in Lichtenberg sollte an einen Schlossermeister für 5000 Reichsmark verkauft werden. Eine Anzahlung von 500 Reichsmark wäre geleistet worden.
    Emma sagte:
    »Vermutlich hat er den Rest nie zu sehen bekommen.«
    »Nicht mal das«, Blume zeigte auf einen klein gedruckten Satz am Ende der Schrift.
    Das Geld wird auf ein öffentliches Konto gelagert für eine etwaige Mehrwertsteuer. Vorgelegt wurde ein Antrag des Verkäufers, über einen Teil des Geldes verfügen zu können. Antrag abgelehnt.
    Der Schlossermeister hatte nicht lange Freude daran, dachte Emma, eine Bombe und alles kaputt. War das jetzt ausgleichende Gerechtigkeit?
    Die nächste Seite war eine Liste, per Hand geschrieben auf feinstem Büttenpapier.
    Umzugsgutliste:
    1 Paar Breecheshosen
    6 Paar Stoffhosen
    1 Lodenjoppe
    1 Übergangsmantel
    1 schwarzer gestreifter Anzug
    10 Hemden
    Seitenweise ging es so weiter, auch Arbeitsmaterialien wurden aufgeführt, ein Rechenschieber, Baulineale und Wasserwaage, sowie Materialien zum Modellbau.
    Emma zeigte darauf.
    »Das Bauland konnte er nicht mitnehmen, aber seine Arbeitswerkzeuge hatte er dabei.«
    »Er wollte weitermachen. Und wenn der Nazispuk vorbei ist, zurückkommen.«
    Sie nickte.
    »Deshalb war es ihm auch so wichtig, legal auszureisen. Waldreich meinte, der Haftbefehl hat ihm das Genick gebrochen. Einem kriminellen Bauunternehmer würde niemand einen Kredit geben.«
    Blume blätterte in der Akte.
    »Aber was ging schief? Das Ganze hier ist zwar ungeheuerlich, aber irgendwie hat man das ja schon fast erwartet. Er war doch bereit, alles offenzulegen, oder?«
    Emma rückte näher an ihn heran.
    »Was ist denn noch drin? Lass mal sehen.«
    Ein erneuter Antrag auf die Unbedenklichkeitsbescheinigung. Ein letzter Steuerbescheid von der Zentralen Steuerfahndungsstelle, die Festsetzung der Reichsfluchtsteuer.
    Das letzte Blatt in dem Ordner war ein Brief von der Gestapo an die Oberfinanzdirektion.
    »Der oben genannte Jude ist flüchtig. Gemäß dem Gesetz über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens vom 14. Juli 1933 wird das gesamte Vermögen zugunsten des Deutschen Reiches eingezogen.«
    Emma seufzte enttäuscht. Sie wusste jetzt zwar mehr über die Ausreise des Großvaters, aber noch immer war ihr das Motiv am Mord von Tom Rosenberg nicht klar. Dabei hatte sie so sehr gehofft, hier eine Antwort auf ihre Fragen zu bekommen. Sie zog noch einmal den Ordner zu sich und vertiefte sich in die Dokumente. Blume kontrollierte sein Handy und stellte fest, dass er hier unten keinen Empfang hatte. Als die Archivarin den Raum betrat, schreckten beide hoch. Sie lächelte ihnen flüchtig zu und legte einen Stapel Bücher auf den Nachbartisch. Dann kam sie zu ihnen.
    »Also, Ihre Anfrage vorhin.«
    Blume sah sie fragend an.
    »Ja?«
    »Jemand hatte die Akte angefordert. Letzten Montag. Meine Kollegin sagte, er hatte seine Geburtsurkunde und die seines Vaters dabei und hat sich als Enkel ausgewiesen.«
    Emma und Blume sahen sich an. Sie sprachen nicht aus, was sie dachten. Montag, einen Tag vor dem Mord.
    Emma wandte sich an die Archivarin:
    »Haben Sie schon mal den Ausdruck »Junge Fische« gehört?«
    Die Frau trat näher an ihren Tisch.
    »Nein. Steht das da drin? Zeigen Sie mal.«
    Sie überflog mit einem Stirnrunzeln die Papiere. Bei dem Steuerbescheid sah sie auf.
    »Ich hab mal gehört, dass so eine letzte Steuererklärung vor der Ausreise ein Fisch genannt wird. Abkürzung für fiskalischen

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