gut selbst tun. Das ist viel zu auffällig.« Fritzi drehte sich zu mir um undals ich sah, wie sich ihre Bewegung in der Fensterscheibe spiegelte, begriff ich. Sie hatte meine Handzeichen gesehen und im Gegensatz zu Maiken kapiert, was ich wollte.
»Weißt du was? Ich geh für dich runter«, sagte Fritzi jetzt, stand auf und verließ den Raum.
»Was ist denn plötzlich mit der los? Zeigt sie menschliche Züge?«, fragte ich Maiken.
»Ich tu das nicht, weil ich dich mag«, rief Fritzi von der Treppe zurück in unser Zimmer. »Ich mache das nur, weil ich Vicky noch weniger mag als dich.«
Nach ein paar Minuten kam sie zurück. »In seinem Zimmer ist Tom nicht und im Hof ist er auch nicht. Da sind nur Stella und Torsten, die wieder mal rumknutschen. Tut mir echt leid.« Sie sah mich fast freundlich an, aber in diesem Moment konnte ich das nicht so richtig würdigen. Ich zog mir die Bettdecke über den Kopf.
Betreff: Inselkoller
Datum: 16.06., 22:15 Uhr
Von: Tom Barker <
[email protected] >
An: Felix von Winning <
[email protected] >
Hi X,
heute: die Insel – Risiken und Nebenwirkungen.
Bis bald,
Tom
»Hey, Kumpel!« Tom hält die Kamera am ausgestreckten Arm und filmt sich selbst in Großaufnahme. »Heute mal ein ernstes Gespräch von Mann zu Mann! Guck mal da drüben.«
Die Kamera schwenkt nach links. Von fern sieht man einen Auerochsen.
Zoom, das Tier wird größer und größer. Es hat beeindruckende Muskelpakete und gewaltige Hörner. »Das ist der Stier, der einzige Mann in der Auerochsenherde«, sagt Tom. »Er liegt da ganz entspannt und käut wieder, denn er hat hier auf der Insel das Paradies auf Erden. Futter, so weit das Auge reicht. Acht Frauen. Weit und breit kein Rivale in Sicht. Der fühlt sich hier wie der Chef.«
Der Stier blinzelt, weil ihm eine Fliege ins Auge gesurrt ist. Unwillig schüttelt er den Kopf, um den Brummer zu vertreiben.
Tom erscheint wieder selbst vor der Linse. »Wenn der wüsste!«, sagt er. »Einen Sommer hat er noch, dann ist er weg hier. Um Inzucht zu vermeiden. Nächstes Jahr kommt ein neuer Stier auf die Insel und die Kühe werden ihn nach ein paar Tagen nicht mehr vermissen. Austauschbar, das ist er nämlich, auch wenn er es nicht weiß. Tja, so kann das laufen.«
Toms Gesicht kommt der Linse jetzt bedrohlich nahe.
»Was ich dir mit dieser Expedition ins Tierreich sagen will, Kumpel: Wir sind alle nicht unersetzlich. Ich denke, du solltest dich bei Maiken mal wieder in Erinnerung bringen. Vielleicht hast du schon mal von jenem Kommunikationssystem gehört, das ganz ohne Strom funktioniert. Man schreibt dabei Nachrichten auf hauchdünne weiße Rechtecke, die man zusammenfaltet, in einen Umschlag steckt und in einen gelben Kasten wirft. Man nennt das Post. Meist sind diese Nachrichten schon einen Tag später beim Empfänger. Also, nicht dass ich dich zwingen will oder so. Aber ich habe Augen im Kopf und ich sehe, dass ein gewisser Helge sich mehr als nur rein freundschaftlich für Maiken interessiert. Ich störe die beiden zwar weiterhin bei jeder Gelegenheit, indem ich immer genau dort Pfosten in den Boden ramme, wo die beiden sich ein idyllisches Plätzchen zum Arbeiten gesucht haben. Aber die sind nicht doof. Heute hatten sie sich einen Ort ausgesucht, an dem der Zaun schon fertig war. Also, wie gesagt, ich würde mich an deiner Stelle mal wieder in Erinnerung bringen. Man ist ja so schnell out bei den Frauen!«
Er lehnt sich zurück und verschränkt die Arme. »Ja, ja, ja! Bevor du fragst: Ich spreche aus Erfahrung. Ich bin out. Habe heute von ferne beobachtet, wie Lilia stundenlang mit Simon im Hochsitz saß und sich bestens unterhielt.
Habe Pfosten gehämmert wie ein Halbgott – mit nacktem Oberkörper und eingezogenem Waschbrettbauch. Aber was soll ich sagen? Sie hat mich nicht mal bemerkt.
Ich weiß, was du jetzt fragst: Warum stört dich das, Tom Barker? Du willst doch keinen Kugelfisch?
Tja, warum stört mich das? WARUM ? Vielleicht, weil Vicky gesagt hat, Lilia und Simon seien zusammen?
Vielleicht deswegen, weil Simon keine Angst vor Kugelfischen hat? Ich weiß es ja selbst nicht.«
Der Film bricht grußlos ab.
Freitag, 17. Juni
Zu den wichtigsten Survival-Regeln gehört die sogenannte »Dreier-Regel«: Ein Mensch kann drei Minuten ohne Sauerstoff auskommen, drei Tage ohne Wasser und drei Wochen ohne Essen. Für mich gilt neuerdings leider noch eine vierte Dreier-Regel: Ich schaffe es nicht mehr länger als drei Stunden ohne Tom. Das ist