Wer Mit Schuld Beladen Ist
den Rücken.
Clare schrie auf. Russ stürzte vor, doch MacEntyre richtete die Remington direkt auf seinen Magen. Russ kam rutschend zum Stehen, als der Lauf der Waffe sich in seinen Körper bohrte. »Los!«, befahl MacEntyre und verstärkte den Druck auf den Lauf. Russ wich zurück. MacEntyre folgte ihm, wies mit dem Kopf die Richtung, in die Russ gehen sollte. Der junge Mann drängte ihn gegen die halbhohe geflieste Mauer, die den Raum teilte. Von der anderen Seite der Mauer hörte Russ Traceys hohes, zitterndes Stöhnen und seinen rasselnden Atem. Über MacEntyres Schulter erblickte er Clare, der die Tränen über die Wangen strömten, während sie lautlos ihre Gelenke bewegte, um ihre Fesseln zu lösen.
»Ich bin verdammt sauer auf dich, Reverend Fergusson.« MacEntyre starrte Russ an, während er sprach. In seinen dunklen Augen glitzerte etwas, doch es war kein Zorn. Es war Erregung.
Russ’ Magen hob sich, ihm war übel.
»Vielleicht nehme ich dich sogar mit, statt mich gleich hier um dich zu kümmern. Damit ich dir zeigen kann, wie sauer ich bin.«
Unbemerkt von MacEntyre befreite Clare ihre Hände.
»Hast du Geld da drin?« MacEntyre wies mit dem Kopf auf Russ’ Jeans. Untermalt vom Klang des langsamen Sterbens seines Freundes, wirkte seine Sachlichkeit noch grauenerregender.
»In meinem Parka«, erwiderte Russ. »Oben auf dem Heuboden.«
Über MacEntyres Schulter hinweg beobachtete er, wie Clare einen Schritt machte. Dann zwei. »Damit wirst du nicht durchkommen«, sagte er laut, ließ Furcht in seiner Stimme durchklingen.
»Ach, bitte. Q bringt dich um, dann die Lady, und in einem Anfall von Reue richtet er die Waffe auf sein Herz und drückt ab. Was bequemerweise alle Spuren des Einstichs vernichtet. Ich gehe am Montag wieder zur Schule. Vermutlich sammle ich Punkte bei den Mädchen, weil mein Herz gebrochen ist und all der Scheiß.«
»Er war dein Freund! Bedeutet dir das gar nichts?« Bizarrerweise blitzte Lyle für einen Moment in Russ’ Gedanken auf.
»Ich hab’s doch schon erklärt. Es gibt zwei Arten auf der Welt. Wölfe und Schafe.« MacEntyre seufzte. »Ich habe für ihn getan, was ich konnte, aber ich nehme an, man bleibt, was man ist. Ich bin ein Wolf. Q war ein Schaf.«
Aus dem Augenwinkel verfolgte Russ, wie Clare nach etwas im Spind griff. Allmächtiger, hoffentlich war es kein Messer. MacEntyre hätte seine Eingeweide im ganzen Raum verteilt, ehe Clare nahe genug herankam, um zuzuschlagen.
»Was bin ich?«, fragte er MacEntyre, verzweifelt auf Zeit spielend.
Der junge Mann lächelte sein kühles, gekrümmtes Lächeln. »Ich hab dich als Wolf eingeordnet. Und deshalb ist das Gespräch jetzt beendet.«
Clare wirbelte herum und sprang, eine dicke, wie ein leichter Säbel geformte Metallröhre in den Händen. Ihre Finger umklammerten eine Art Schalter.
»Lass die Waffe fallen, Aaron«, sagte sie. Ihre Augen waren riesig und ihr Gesicht unter den Blutergüssen schneeweiß. Aber ihre Stimme war hart. »Ich will dich nicht verletzen, aber ich werde es tun.«
MacEntyre wirkte gelangweilt. »Mit einem pneumatischen Bolzenschussgerät kann man niemanden verletzen, Reverend. Damit kann man nur töten. Und das wirst du nicht tun.«
»Lass die Waffe fallen, Aaron.«
MacEntyres Lippen zuckten. Er warf ihr einen Blick zu. »Schaf«, sagte er. Er wandte den Kopf, und Russ wusste Bescheid. Das war das Ende.
Clare rammte das Bolzenschussgerät in die nackte Haut von MacEntyres Nacken. Die in der Kammer zündende Ladung produzierte ein gedämpftes Geräusch. Russ warf sich aus der Schusslinie des Gewehrs, doch seine Angst war unbegründet. Das Gewehr fiel zu Boden. MacEntyre gurgelte. Ein nasses, blutiges Loch erblühte unter seinem Adamsapfel. Clare riss mit verzerrter Miene das Bolzenschussgerät zurück, und der junge Mann kippte vornüber, die Augen weit aufgerissen, während Blut und Luft aus seinem Hals strömten. Der Schlachtraum stank nach Urin und Kot, als seine Blase und sein Darm erschlafften.
Sie musterten ihn einen Augenblick, wie er da auf dem Boden lag. Ein totes Ding. Dann schrie Clare auf und schleuderte das Bolzenschussgerät in die hinterste Ecke des Raums. »O mein Gott«, sagte sie und barg das Gesicht in den Händen. »Was habe ich getan?«
Russ wusste, dass sie nicht zu ihm sprach, doch er kam taumelnd auf die Beine und lief zu ihr. Er schlang seine Arme um sie und hielt sie, so fest er konnte.
»Du hast getan, was du tun musstest, Liebes«, murmelte er. »Du hast
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