Wer Mit Schuld Beladen Ist
versteckte.
»Öffnen«, sagte Aaron mit einer Geste zu der breiten Tür, die das warme lebendige Vieh vom kalten, sterilen Verarbeitungsraum trennte. »Wir erledigen sie genau wie die andere, und dann hauen wir ab.«
»Aber … sie werden Bescheid wissen, dass wir es waren! Man wird uns jagen!« Trotz seiner Proteste löste Quinn seinen Griff von Clares Parka und zog an dem Türgriff.
»Lass dir mal Eier wachsen, ja? Jesus, bei der ganzen Sache ging es doch darum, uns zu beweisen, zu was wir fähig sind. Wenn ich gewusst hätte, was für eine verdammte Memme du bist, hätte ich einen anderen ausgesucht.«
»Nein!« Die Tür glitt rumpelnd über die Schiene. Quinn sprang zur Seite und schaltete die Beleuchtung ein. »Ich schaffe das.«
Aaron beugte sich vor, ohne den Gewehrlauf von Clares Hals zu nehmen. Die Intensität seines Blicks schien Quinn zu ihm herüberzuziehen. »Ich habe dich ausgewählt, Mann. Wir sind Waffenbrüder.« Aarons Stimme war leise, beschwörend. »Lass mich nicht im Stich. Wir müssen nur noch durch diesen Teil. Dann sind wir auf dem Weg.«
Quinn nickte.
»Wir können tun, wovon andere Menschen nur träumen«, wisperte Aaron. »Wir sind die verdammten Herrscher der Welt.«
»Ja«, hauchte Quinn. Mit leuchtendem Gesicht griff er nach Clare und zog sie durch die Tür in den Schlachtraum. »Wo willst du sie haben?«
»Direkt dort drüben.« Aaron folgte ihnen, die Flinte, ohne zu schwanken, auf Clares Kopf gerichtet. »Diesmal wirst du es tun. Den Todesstreich ausführen.«
Quinns Gesichtsausdruck veränderte sich. »Äh«, sagte er.
Aarons Augen glänzten. »Es ist erstaunlich, Mann. Du weißt nicht, was Macht bedeutet, bis du es getan hast.«
Quinn betrachtete das Messer in seiner Hand. Clare ebenfalls. Ihr ging auf, dass sie trotz ihres erklärten Glaubens an die Auferstehung der Toten und das Leben in einer zukünftigen Welt wirklich, wirklich nicht sterben wollte.
O Gott, betete sie, ein wenig Hilfe.
»Hey«, erklang eine Stimme aus der Scheune. Alle drei fuhren herum. Im Türrahmen stand, entspannt und gemütlich, mit leeren Händen und unbedrohlich, Russ Van Alstyne. »Sagt mal, wollen wir nicht darüber reden?«
50
N ach einer ergebnislosen Durchsuchung des Hauses befand er sich auf dem Weg zur Scheune auf der anderen Straßenseite, als er den Schuss hörte. Er griff nach seiner Dienstwaffe, die aber nicht da war.
Leise fluchend watete er durch den Schnee, der sich auf der Leeseite der Straße immer weiter auftürmte. Er kämpfte sich gerade die Rampe hoch, als eine Gestalt aus der Scheune auf ihn zurannte.
Sobald er sie eingefangen hatte, wusste er, dass es nicht Clare war. Sie kreischte. Er hielt ihr den Mund zu. Eine verängstigte Frau blickte zu ihm auf. Auf ihren Wangen froren Tränen.
»Ich bin Russ Van Alstyne, Polizeichef von Millers Kill«, beruhigte er sie. »Was ist hier los? Wo ist Clare?«
»Unten. Bei den Kühen. Beeilen Sie sich, bitte beeilen Sie sich. Sie haben ein Gewehr und ein Messer!«
»Wie viele?«
Verwirrt zog sie die Brauen zusammen.
»Wie viele Bösewichte?«, präzisierte er.
»Zwei … äh, Quinn Tracey und sein Freund.«
»Wie komme ich dorthin?«
»Da steht eine … eine Leiter, am Ende der Scheune, die durch die Decke nach unten führt.« Sie zeigte in die Richtung.
»Clare?«
»Sie …« Die Frau begann wieder zu weinen. »Ich weiß es nicht. Er hat sie zu Boden geschlagen. Da bin ich gerannt.«
Ihre Worte trafen ihn wie ein Marschflugkörper, explodierten in seinem Vorderhirn, löschten für Sekunden jeden anderen Gedanken aus. Er sog die Luft ein, konzentrierte sich auf die Frau. »Können Sie fahren?«
»Ja, aber …«
Er drückte ihr die Schlüssel in die Hand. »Steigen Sie in meinen Truck. Er steht am Ende der Zufahrt. Fahren Sie zur Stadt. Langsam. Falls es schlimmer wird, fahren Sie rechts ran und warten ab. Verstanden?«
Sie nickte ruckartig. »Sie ist verrückt, wissen Sie? Welche Frau greift einen Mann mit einem Messer an? Sie ist verrückt.«
»Ja, ich weiß.« Er schubste sie in die richtige Richtung und kämpfte sich die restliche Rampe hinauf in die Scheune. Er holte sein Handy heraus. Tippte Harlenes Kurzwahl.
»Harlene.«
»Van Alstyne hier, ich bin bei der 645 Old Route 100. Es handelt sich um eine bewaffnete Geiselnahme. Ich brauche Verstärkung.«
»Ist unterwegs«, antwortete sie mit ruhiger Stimme. Dann, ehe er auflegen konnte: »Chief?«
»Ja.«
»Sind Sie unbewaffnet?«
»Ja.«
»Dann warten
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