Wer nie die Wahrheit sagt
oder dein zweiter Ehemann. Sieh dir nur Savich an. Glaubst du, Sherlock hat je Zweifel an ihm?«
Er spürte, wie sie mit den Schultern zuckte. »Dillon ist eine Ausnahme. Und er ist einmalig. Er ist einfach wundervoll, das ist alles. Er war schon immer so, von klein auf. Sherlock kann sich verdammt glücklich schätzen. Das weiß sie auch; sie hat’s mir selbst gesagt.«
Sie schwieg einen Moment lang, und er konnte spüren, wie sie sich entspannte, wie ihr wärmer wurde, und das machte ihn ganz verrückt. Warum sagte er ihr nicht endlich, was er wirklich für sie empfand? Was hinderte ihn, ihr sein Herz auszuschütten? Doch alles, was er hervorbrachte, war: »Diese Matratze riecht ganz neu. Ich kann jetzt mehr von dem Zimmer erkennen. Ist richtig hübsch, Lily, sieh mal.«
»Wir sind wohl in Olafs Haus, irgendwo in Schweden.«
»Wahrscheinlich.«
»Wieso hat …«
Sie unterbrach sich, denn in diesem Moment ging die Tür auf, und Sonnenlicht flutete herein. Alpo betrat das Zimmer, Nikki im Schlepptau. »Ihr seid also wach?«
»Ja«, sagte Simon, setzte sich auf und schwang die Füße über die Bettkante. »Gibt’s bei euch denn keine Heizung? Oder versucht Olaf Energie zu sparen?«
»Weichlinge. Seid still.«
»Wir haben schließlich nicht Ihr Körperfett, vielleicht frieren wir deshalb mehr«, meinte Lily.
Nikki schubste Alpo aus dem Weg und trat auf das Bett zu, wo Simon saß. »Aufstehen. Sie auch«, sagte er zu Lily. »So spricht eine Frau nicht. Ich bin nicht fett; ich bin stark. Mr. Jorgenson erwartet Sie.«
»Ach«, sagte Lily, »lernen wir also endlich den Obermacker kennen.«
»Was ist das?«, fragte Nikki, während er zurücktrat, damit sie aufstehen konnten.
»Der Mann, der alles kontrolliert, der sich für das ganz große Tier hält«, erklärte Simon hilfsbereit.
Alpo blickte einen Moment lang nachdenklich drein und nickte dann. »Wir werden euch jetzt also zum Obermacker führen.« Zu Lily sagte er: »Er wird Sie mögen. Vielleicht lässt er Sie malen, bevor er Sie umbringt.«
Kein schöner Gedanke.
25
BAR HARBOR, MAINE
Beinahe ein ganzer Tag war vergangen, und immer noch keine Spur von Tammy Tuttle oder Marilyn Warluski. Mehrere Dutzend Leute hatten angerufen und wollten sie gesehen haben, was natürlich alles überprüft werden musste, doch bisher leider ohne Ergebnis. Es war die größte Menschenjagd in der Geschichte von Maine; mehr als zweihundert Polizeibeamte waren daran beteiligt. Und die ganze Zeit über musste Savich daran denken, wo Lily wohl war und wie es ihr ging. Ob sie noch lebte. Er konnte es nicht ertragen, und gleichzeitig konnte er nichts tun.
Dann rief Jimmy Maitland aus Washington an.
»Kommen Sie nach Hause, Savich«, sagte er. »Sie werden hier in Washington gebraucht. Von Tammy hören wir schon früher oder später. Dort oben können Sie nichts mehr tun.«
»Sie wird wieder töten, Sir, das wissen Sie, und das weiß ich, und auf diese Weise werden wir von ihr hören. Wahrscheinlich hat sie Marilyn bereits umgebracht.«
Jimmy Maitland schwieg, eine schwere, niedergedrückte Stille. Dann sagte er: »Ja, Sie haben Recht. Ich weiß aber auch, dass wir im Moment nicht mehr tun können. Was Sie angeht, Savich, Sie sind zu nah an der Sache dran. Kommen Sie nach Hause.«
»Ist das ein Befehl, Sir?«
»Ja.« Er fügte nicht hinzu, dass er von Savichs Haus in Georgetown aus anrief, in Savichs Lieblingssessel saß und Sean auf den Knien schaukelte. Dass Sherlock keinen Meter von ihm entfernt dastand und ihnen beiden mit der einen Hand einen Whisky, mit der anderen einen Grahamcracker hinhielt.
Savich seufzte. »Also gut. Ich bin in ein paar Stunden da.«
Falls Sean sich entschlossen hätte, während des Gesprächs mit seinem Vater auch seinen Senf dazuzugeben, dann wäre Jimmy wohl ganz schön aufgeschmissen gewesen, aber der Kleine hatte brav die Klappe gehalten und an seiner Faust gekaut. Jimmy legte auf, reichte Sean an Sherlock weiter und sagte, während sie ihm den Whisky in die Hand drückte: »Die Operation war ein gigantischer Fehlschlag, aber zumindest wird Savich irgendwann heute Abend heimkommen. Er ist ganz schön aufgebracht, Sherlock.«
»Ich weiß, ich weiß. Uns wird schon was einfallen. Wie immer.« Sie gab Sean den Grahamcracker.
Jimmy meinte: »Savich fühlt sich schuldig, als wäre er derjenige, der versagt hat, als wäre er für all die Morde verantwortlich, einschließlich dem an Agent Virginia Cosgrove.«
»Das wird er sich nie
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