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Wer nie die Wahrheit sagt

Wer nie die Wahrheit sagt

Titel: Wer nie die Wahrheit sagt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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der Theke um, die alphabetisch beschriftet waren. Unter T fand er, im dritten Fach, Theresa Tanners Umschlag, genau dort, wo er ihn vor einer Stunde selbst hingelegt hatte. Er nahm den Umschlag mit ihrem Namen heraus und wollte sich gerade zu ihr umdrehen, denn er wusste, dass Savich nur darauf wartete, dass er sich zu Boden warf, damit er eine klare Schusslinie hatte, als er plötzlich ein lautes Zischen direkt an seinem rechten Ohr hörte und erstarrte. Ja, ein Zischen, wie von einer Schlange, direkt neben ihm, nahe, zu nahe an seinem Hals, gleich würden sich ihre Zähne tief in seinen Hals bohren und …
    Nein, er bildete sich das nur ein, aber da war es schon wieder. Aaron vergaß, sich zu Boden zu werfen, damit Savich schießen konnte. Er griff blitzschnell nach seiner SIG Sauer, riss sie unter dem Tresen hervor, so wie es, das wusste er, Possner und Lowell in diesem Moment taten, und fuhr herum. Der Umschlag mit den Fotos war auf einmal in ihrer Hand, er wusste nicht wie, aber da war er, und dann waren Tammy Tuttle und der Umschlag auf einmal verschwunden. Weg.
    Er hörte Savich brüllen: »Runter, Aaron! Los, aus dem Weg!«
    Aber er konnte nicht. Er stand da wie zu Stein erstarrt. Savich versuchte ihn beiseite zu rempeln, doch er widerstand, musste einfach, konnte ihn nicht vorbeilassen. Er sah ein helles Feuer in einer Ladenecke auflodern, es roch auf einmal nach verbranntem Plastik, scharf und beißend, und er hörte Agent Possner schreien. O Gott, der Laden stand in Flammen, nein, nur ein Teil davon, aber es war hauptsächlich Agent Possner. Sie brannte – ihre Haare, ihre Augenbrauen, ihre Jacke, und sie schrie und schlug auf sich ein. Helle, orangerote Flammen loderten aus ihrem Haar, so heiß wie die Sommersonne.
    Agent Aaron Briggs schubste Savich beiseite und rannte laut brüllend auf Possner zu.
    Agent Lowell drehte sich verwirrt zu Possner um, und als er die Flammen sah, warf er sich auf sie. Beide fielen zu Boden, stießen dabei einen großen Ständer mit Fotorahmen um, und er begann mit bloßen Händen auf die Flammen einzuschlagen. Aaron riss sich die Jacke vom Leib, während er auf sie zurannte, und stieß dabei einen weiteren Ständer mit Rahmen und Fotoalben aus dem Weg.
    Savich hatte jetzt ebenfalls die Theke umrundet und rannte mit gezückter Pistole zur Tür. Aaron sah ihn, begriff aber nicht. War ihm denn egal, dass Possner brannte? Er hörte einen Schuss, einen einzelnen, hohen Knall, dann nichts mehr. Auf einmal war das Feuer aus. Possner lag schluchzend in Fötusstellung auf dem Boden, Lowells Jacke um den Kopf gewickelt, und Aaron sah, dass Lowell unversehrt war, dass er, so weit man es sehen konnte, keine Brandwunden davongetragen hatte. Er riss sein Handy heraus, um den Krankenwagen, die Feuerwehr und ganz einfach Verstärkung anzufordern. Und dann merkte Aaron, dass auch seine Finger ganz normal aussahen. Er hatte gedacht, er hätte sie böse verbrannt, so wie er Possner hatte brennen sehen.
     
    Savich rannte wild alles absuchend durch die Straßen. Es waren nicht viele Menschen unterwegs, keine Touristen, da es Herbst war und viel zu kalt für Strandspaziergänge in Bar Harbor. Er hielt seine SIG an der Seite und legte in Gedanken ein Raster über die Stadt; den Straßenverlauf hatte er zuvor genau studiert. Wo konnte sie hingelaufen sein? Von wo war sie gekommen?
    Dann sah er den langen, schweren, dunkelblauen Wintermantel, wie er soeben um eine Ecke wehte, nur einen halben Block weiter oben an der Westcott. Er rannte beinahe einen alten Mann um, entschuldigte sich, blieb aber nicht stehen. Er rannte, die SIG an der Seite haltend, und hörte nur seinen eigenen Atem. Er schoss um die Ecke und blieb wie angewurzelt stehen. Die Gasse war leer bis auf den dicken Wintermantel. Er lag auf einem Haufen vor der Backsteinmauer am Ende der Gasse.
    Wo war sie? Erst jetzt erblickte er die schmale, unauffällige Holztür an einer Wand der Gasse. Als er sie erreichte, sah er, dass sie zugesperrt war. Er hob seine SIG Sauer und gab zwei Schlüsse auf das Schloss ab. Die Tür sprang auf. Einen Augenblick später hatte er den Raum betreten, die Pistole mit ausgestreckten Armen vor sich schwenkend. Es war ziemlich düster; eine der nackten Glühbirnen, die an der Decke hingen, war durchgebrannt. Er blinzelte, um seine Augen an das Zwielicht zu gewöhnen, und wusste, dass er in großer Gefahr schwebte. Falls Tammy sich hier irgendwo versteckt hatte, dann bot er im Gegenlicht ein ausgezeichnetes

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