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Wer nie die Wahrheit sagt

Wer nie die Wahrheit sagt

Titel: Wer nie die Wahrheit sagt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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Ziel.
    Er sah, dass er sich in einem Lager befand. Fässer standen an den Wänden, dazu Regale voll Schachteln und Dosen und Papierwaren. Der Boden war aus Holz und knarrte. Der Raum war wirklich alt. Es war totenstill, nicht mal irgendwelche Ratten waren zu hören. Er überflog flüchtig den Raum, denn er glaubte nicht recht, dass sie sich hier versteckt hatte, nein, sie war sicher durch die Tür auf der anderen Seite des Lagerraums gegangen. Es war einfach nicht Tammys Art, sich zu verstecken und abzuwarten.
    Savich riss die Tür auf und starrte in einen hellen, sonnigen Speiseraum, gefüllt mit späten Lunchgästen. Am anderen Ende des Raums befand sich hinter einer hohen Theke eine Küche. Dampf stieg von den Herden auf und verschwand in den Abzugshauben. Eine einzige Tür führte auf die Straße hinaus. Er betrat den Raum. Es roch nach gebratenem Fleisch und Knoblauch. Und nach frischem Brot.
    Langsam erstarben die Gespräche um ihn herum, bis es schließlich ganz still wurde und alle den Mann angafften, der in Cop-Positur in der Tür stand und mit der Pistole den Raum absuchte. Er sah verzweifelt aus, als ob er jemanden umbringen wollte. Eine Frau schrie auf. Ein Mann rief: »He, was soll das?«
    »Was ist hier los?«
    Diese Worte stammten von einem Hünen mit weißen, kurzen Stoppelhaaren und einer weißen, mit Spaghettisoße beschmierten Schürze, der mit einem langen Fleischermesser hinter der Theke hervortrat. Das Messer roch stark nach frischen Zwiebeln.
    »He, Mann, ist das ein Überfall?«
    Savich ließ langsam die Waffe sinken. Er konnte nicht glauben, was er sah, konnte nicht fassen, dass er durch einen muffigen Lagerraum direkt in ein Speiselokal geplatzt war und gut zwanzig Leute zu Tode erschreckt hatte. Langsam steckte er seine Waffe ins Holster zurück. Er zog seine FBI-Marke hervor, ging zu dem Mann mit dem Messer, blieb etwa einen Meter vor ihm stehen und zeigte sie ihm. Dann sagte er mit lauter Stimme: »Tut mir Leid, dass ich Sie erschreckt habe. Ich suche nach einer Frau.« Er sprach so laut, dass ihn jeder im Lokal hören konnte. »Sie ist Mitte zwanzig, groß, helles Haar, sehr blass. Sie hat nur einen Arm. Ist sie hier durchgekommen? Durch den Lagerraum, so wie ich?«
    Alle schüttelten die Köpfe. Savich schaute noch in die Toiletten, und dann wurde ihm klar, dass ihm Tammy längst entwischt war. Vielleicht hatte sie sich ja doch in dem Lagerraum versteckt gehabt, hatte gewusst, dass er es so eilig haben und sofort in das Speiselokal stürzen würde. Er entschuldigte sich beim Besitzer und verließ das Lokal durch die Vordertür.
    In diesem Moment, als er auf dem Gehsteig stand, hätte Savich schwören können, dass er ein Lachen hörte – ein tiefes, hässliches Lachen, bei dem er eine Gänsehaut bekam. Aber natürlich war niemand da. Er kam sich so machtlos vor, so ohnmächtig, so verloren, dass er sie schon in Gedanken hörte.
    Langsam ging er zum Hamlet’s Pics zurück. Als er dort ankam, blieb er einen Moment lang ungläubig stehen. Beim Verlassen hatte ein Riesentumult geherrscht. Doch jetzt standen keine Streifenwagen vor dem Laden, kein Notarztwagen, keine Feuerwehr. Alles war ruhig und so wie immer.
    Er betrat den Fotoladen. Drei Agenten standen auf der anderen Seite des Raums, die Köpfe gesenkt, sich leise unterhaltend.
    Agent Possner hatte keine Brandwunden. Kein Anzeichen wies darauf hin, dass es im Hamlet’s Pics überhaupt gebrannt hatte. Die Agents Briggs, Lowell und Possner erwiderten seinen Blick.
    Savich ging wieder hinaus. Er sank auf eine Holzbank, direkt vor dem Fotoladen, und legte den Kopf in die Hände.
    Zum ersten Mal überlegte er, ob das FBI den Fall nicht abgeben sollte, es jemand anderem überlassen sollte, dieses Monster zu fangen. Er hatte versagt. Schon zum zweiten Mal.
    Er spürte eine Hand auf seiner Schulter, hob langsam den Kopf und sah Teddi Tyler, der vor ihm stand. »Tut mir Leid, Mann. Die muss ja wirklich unheimlich sein, dass sie euch Leutchen entwischen konnte.«
    »Ja«, sagte Savich und fühlte sich ein bisschen besser. »Das ist sie. Aber wir kriegen sie, Teddi. Ich weiß bloß noch nicht, wie.«
    Sie war immer noch irgendwo in Bar Harbor, mit Marilyn, das musste so sein. Er erhob sich müde. Er musste eine Menschenjagd organisieren.
    In diesem Moment wurde ihm klar, dass, selbst wenn sie sie nicht finden sollten, sie jede Absicht hatte, ihn zu finden. Sie würde ihn suchen, so oder so. Und der Himmel wusste, dass er viel leichter zu

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