Wer nie die Wahrheit sagt
abgewöhnen können. So ist er eben.«
Jimmy blickte Sean an, der glücklich an seinem Cracker nagte, und sagte: »Sean erinnert mich an meinen Zweitältesten, Landry. Der war auch so ein Racker; jedes graue Haar auf meinem Kopf habe ich ihm zu verdanken. Falls Sie den kleinen Kerl je überhaben sollten, rufen Sie mich an.«
Er kippte seinen Whisky runter und starrte einen Moment lang das herrliche Sarah-Elliott-Gemälde über dem Kamin an. »Habe mir schon immer so meine Gedanken über diesen Soldaten auf dem Bild gemacht. Hab mich gefragt, was er wohl denkt in diesem Moment, in dem er für alle Zeiten festgehalten ist. Ich frage mich, ob wohl zu Hause jemand auf ihn wartet, der um ihn trauert, wenn er stirbt.«
»Ja, es ist wirklich ausgezeichnet. Hat Dillon Sie über Lily und Simon auf dem Laufenden gehalten?«
»Er hat mir erzählt, Agent Hoyt hätte einen Flugplan für einen privaten Learjet entdeckt, der der Waldemarsudde Corporation gehört und vom Arcata Airport nach Göteborg in Schweden abgeflogen ist. Der General Manager dieser Firma ist Ian Jorgenson, der Sohn von Olaf Jorgenson, dem Kunsthändler, von dem wir glauben, dass er hinter all dem steckt.«
Sherlock nickte und sagte: »Hat er Ihnen auch erzählt, dass wir glauben, sein Sohn sei ebenfalls Sammler?«
»Ja«, bestätigte Jimmy. »Interessant, nicht, dass man Charlotte und Elcott Frasier auch entführt hat? Oder vielleicht sind sie ja freiwillig mitgekommen, weil es ihnen in Kalifornien zu heiß wurde. Tennyson ist nach wie vor in Hemlock Bay. Wir haben bis jetzt noch keinerlei Anhaltspunkte, die ihn mit dem Anschlag auf Lilys Leben oder dem Mord an Mr. Monk oder dem Rest in Verbindung bringen. Scheint, als wäre er wirklich nur das Werkzeug seiner Eltern gewesen.«
»Vielleicht«, meinte Sherlock vorsichtig. »Aber das spielt keine Rolle. Lily lässt sich von ihm scheiden. Ach ja, Dillon hat zwei Freunde in Stockholm und Uppsala angerufen, die bei der dortigen Polizei sind. Wir wissen, dass Jorgenson ein riesiges Anwesen bei Göteborg mit Namen Slottsskogen oder Waldburg hat. Es liegt an der Westküste von Schweden. Dillon sagt, dass einer seiner Freunde, Petter Tuomo, zwei Brüder bei der Göteborger Polizei hat. Sie sind an dem Fall dran. Bis jetzt haben wir allerdings noch nichts von ihnen gehört.«
»Prima, da bewegt sich ja richtig was. Hat Savich denn überall auf der Welt Freunde?«, wolle Jimmy dann wissen.
»So ungefähr, ja. Gott sei Dank.« Sie seufzte, küsste Sean, der zappelte, weil er runter wollte, und schüttelte den Kopf. »Überall, wo wir hinschauen, schwebt irgendwas Schreckliches über unseren Köpfen, das jederzeit hereinbrechen kann. Wir haben schreckliche Angst um Lily und Simon. Wir beten, dass Olaf Jorgenson sie noch nicht umgebracht hat.«
»Wieso sollte er sich die Mühe machen, sie zu entführen, wenn er sie umbringen will, Sherlock? Nein, da steckt mehr dahinter, als wir wissen.«
GÖTEBORG, SCHWEDEN
Eine Stunde später, warm, frisch gewaschen und neu eingekleidet, stiegen Lily und Simon vor Alpo und Nikki eine wuchtige Eichentreppe hinunter, die sechs wohlgenährten Menschen nebeneinander bequem Platz geboten hätte. Sie wurden durch eine riesige Eingangshalle geführt, die in große, schwarzweiße Marmorquadrate unterteilt war wie ein Schachbrett. An den Wänden standen etwa neunzig Zentimeter große schwarzweiße Marmorschachfiguren aufgereiht.
Sie schritten einen langen Gang entlang und betraten dann durch eine große, zweiflügelige Mahagonitür einen zwei Stockwerke hohen Raum, dessen sämtliche Wände vom Boden bis zur Decke mit Bücherregalen gefüllt waren. Sechs bis sieben Bücherleitern waren zu sehen. In einem exquisiten weißen, fast einen Meter breiten und mit aufwändigen Schnitzereien verzierten Marmorkamin, auf dem herrliche chinesische Porzellanfiguren standen, brannte ein Feuer. Ein wuchtiger Schreibtisch thronte schräg in einer Ecke. Hinter dem Schreibtisch saß ein Mann, nicht älter als fünfzig, groß, blond und blauäugig und so fit wie seine Wikingervorfahren. Er war braun gebrannt, wahrscheinlich von diversen Skiurlauben auf den teuersten Pisten der Welt. Der Mann erhob sich bei ihrem Eintreten. Mit sanfter, mitfühlender Miene blickte er ihnen entgegen. Lily straffte sich. Alles Heuchelei, sie würde ihn keineswegs unterschätzen. Der Mann nickte, und Alpo und Nikki blieben an der Tür stehen.
»Willkommen auf Slottsskogen, Mr. Russo, Mrs. Frasier. Ach ja, das heißt
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