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Wer nie die Wahrheit sagt

Wer nie die Wahrheit sagt

Titel: Wer nie die Wahrheit sagt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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Schlafzimmerfenster waren doch breiter, oder? Auf jeden Fall waren sie sauberer. Nein, Moment, sie war ja gar nicht in ihrem Schlafzimmer. Eine vage Panik keimte in ihr auf, fiel jedoch rasch in sich zusammen. Eigentlich konnte sie kaum etwas fühlen, bis auf eine leichte Verwirrung, die sicher unwichtig war, und ein vages Stechen im linken Arm, dort, wo die Infusionsnadel steckte.
    Die Infusionsnadelf
    Das bedeutete, dass sie im Krankenhaus lag. Sie konnte atmen. Sie spürte das Kitzeln der Sauerstoffschläuche in der Nase, ein wenig irritierend, aber nicht weiter schlimm. Das beruhigte sie. Sie war noch am Leben. Aber wieso sollte sie nicht am Leben sein? Wieso war sie überrascht?
    Ihr Kopf fühlte sich ganz benebelt und leer an, und selbst die Leere war irgendwie neblig. Vielleicht lag sie ja im Sterben und war deshalb allein gelassen worden. Wo war Tennyson? Ach ja, er war vor zwei Tagen nach Chicago geflogen, irgendwas Berufliches. Sie war froh, ihn los zu sein, erleichtert, schlicht und einfach zutiefst erleichtert, seinen beruhigenden Ton nicht mehr hören zu müssen, der ihr so furchtbar auf die Nerven ging.
    Ein Mann mit Glatzkopf und weißem Kittel, ein Stethoskop um den Hals, kam herein. Er beugte sich dicht über sie. »Mrs. Frasier, können Sie mich hören?«
    »O ja. Ich kann sogar Ihre Nasenhaare sehen.«
    Er richtete sich lachend auf. »Ach, das war wohl zu nahe, wie? Nun, wie fühlen Sie sich? Haben Sie Schmerzen?«
    »Nein, ich kann nicht mal mein Hirn fühlen. Mein Kopf ist ganz dumpf und benebelt.«
    »Das liegt am Morphium. Sogar mit einem Bauchschuss bräuchten Sie bloß genug Morphium und würden selbst Ihrer Schwiegermutter alles verzeihen. Ich bin Ihr behandelnder Chirurg, Dr. Ted Larch. Ich musste Ihnen leider die Milz rausnehmen, und weil das eine ziemlich schwere Operation ist, bekommen Sie bis heute Abend reichlich Morphium. Dann werden wir mit der Dosis allmählich runtergehen. Wir müssen zusehen, wie wir Sie wieder auf die Beine bekommen, Mrs. Frasier.«
    »Und was fehlt mir sonst noch?«
    »Ich will mich kurz fassen. Zunächst mal kann ich Ihnen versichern, dass Sie wieder ganz gesund werden. Was die fehlende Milz betrifft, das schadet Ihnen langfristig nicht. Als Erwachsener braucht man die Milz nicht unbedingt. Aber die Operationsschmerzen werden Sie noch ein Weilchen verfolgen – ein paar Tage zumindest. Sie müssen aufpassen, wann und was Sie essen und wie gesagt, wir müssen Sie wieder auf die Beine bekommen.
    Außerdem haben Sie sich zwei Rippen geprellt, dazu ein paar Schnitte und Abschürfungen, alles in allem aber nichts Lebensbedrohliches. Narben werden Sie keine zurückbehalten. Ich würde sagen, Sie halten sich wunderbar, wenn man bedenkt, was geschehen ist.«
    »Was ist denn geschehen?«
    Dr. Larch schwieg einen Augenblick, den Kopf nachdenklich zur Seite geneigt. Die Sonne strömte durch die Fenster herein und spiegelte sich auf seinem Kahlkopf. Langsam sagte er, den Blick durchdringend auf sie gerichtet: »Sie erinnern sich nicht mehr?«
    Sie überlegte und überlegte, bis er ihr leicht die Finger auf den Unterarm legte. »Nein, bloß nichts erzwingen. Dabei holen Sie sich bloß Kopfschmerzen. Was ist das Letzte, woran Sie sich erinnern, Mrs. Frasier?«
    Abermals überlegte sie und antwortete schließlich: »Ich erinnere mich, wie ich unser Haus in Hemlock Bay verließ. Da wohne ich, in der Crocodile Bayou Avenue. Ich weiß noch, dass ich nach Ferndale fahren wollte, um bei einem gewissen Dr. Baker ein paar medizinische Unterlagen abzuliefern. Ich weiß auch noch, dass ich Angst hatte, im Dunkeln die zu nehmen. Das ist eine furchtbar kurvenreiche Straße, führt mitten durch einen Wald von Sequoias, die türmen sich so über und um einen auf, dass einem angst und bange wird. Man hat fast das Gefühl, lebendig begraben zu sein.« Sie hielt inne, und er merkte, wie frustriert sie wurde; deshalb unterbrach er sie.
    »Nein, das ist schon in Ordnung. Interessante Metapher, mit diesen Sequoias. Mit der Zeit werden Sie sich bestimmt wieder an alles erinnern, Mrs. Frasier. Sie sind mit Ihrem Explorer direkt gegen einen Mammutbaum gefahren. Also, ich werde jetzt noch einen anderen Arzt hinzuziehen.«
    »Was für einen Arzt?«
    »Einen Psychiater.«
    »Aber wieso sollte ich …« Sie runzelte die Stirn. »Ich verstehe nicht. Einen Psychiater? Wieso denn?«
    »Na ja, es könnte sein, dass Sie absichtlich gegen diesen Mammutbaum gefahren sind. Keine Panik, machen Sie sich

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